Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! - BAG entscheidet zur Vergütung von Rettungsassistent in Teilzeit
Die Lohngerechtigkeit spielt ja in vielen Rechtsstreitigkeiten eine große Rolle. Wie gerecht und vor allem gleich muss die Belegschaft vergütet werden? Das Bundesarbeitsgericht hat sich in dem Urteil vom 18.01.2023 (5 AZR 108/22) mit der Frage der Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung auseinandergesetzt und dem dortigen Kläger Recht gegeben. Der Partner der Kanzlei, Herr Rechtsanwalt Daniel Hartmann berichtet von dem Fall. Er erklärt, was für die Praxis wichtig ist.
Geklagt hatte ein Beschäftigter, der als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist. Die Beklagte führt u.a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Bei ihr werden zwei „Arten“ von Rettungsassistenten beschäftigt; sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie in der streitgegenständlichen Zeit € 17,00 brutto pro Stunde gezahlt hat und sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten, die – wie der Kläger - als geringfügig Beschäftigte tätig waren und eine Stundenvergütung von € 12,00 brutto erhalten haben.
Der Kläger machte für den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 insgesamt zusätzliche Vergütung in Höhe von € 3.285,88 brutto geltend.
Er hat sich darauf berufen, dass die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den „hauptamtlichen“ Rettungsassistenten eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit darstelle. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Zahlung der unterschiedlichen Vergütung sachlich gerechtfertigt sei, weil sie mit den „hauptamtlichen“ Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten. Die „nebenamtlichen“ Rettungsassistenten könnten nicht einseitig zu Diensten eingeteilt werden. Diese dürften Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versuche zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf bestehe allerdings nicht.
Nachdem das Arbeitsgericht die Zahlungsklage abgewiesen hat, hatte der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht München Erfolg und gewann. Auch das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger Recht und sprach ihm die Zahlung der geforderten zusätzlichen Vergütung zu.
Der Fünfte Senat hat entschieden, dass die im Vergleich zu den „hauptamtlichen“ Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne sachlichen Grund benachteilige. Die „haupt-„ und nebenamtlichen“ Rettungsassistenten seien gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der „nebenamtlichen“ Rettungsassistenten bilde keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Es sei auch unerheblich, dass die „nebenamtlichen“ Rettungsassistenten frei in der Gestaltung der Arbeitszeit seien. Die Beklagte lasse hierbei – so das Bundesarbeitsgericht - unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hätten.
Das Gesetz verbietet eine solche Benachteiligung von Teilzeitkräften. Hintergrund ist unter anderem, dass eine Diskriminierung von Teilzeitkräften oftmals auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt. § 4 Abs. 1 TzBfG dient auch der Umsetzung der europäischen Richtlinie des Rates 1999/70/EG. Die Norm existiert, um zum Schutz der in Teilzeit Beschäftigten, Diskriminierungen auszuschließen. Sie soll die Gleichbehandlung mit Vollzeitbeschäftigten sichern und Teilzeitarbeit fördern.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist inhaltlich richtig und zu begrüßen! Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein „nebenamtlicher“ Rettungsassistent, der gleich qualifiziert ist und die gleiche Tätigkeit wie ein „hauptamtlicher“ Rettungsassistenten ausübt, eine geringere Vergütung pro Stunde erhält. Ohne einen belastbaren sachlichen Grund wird ein Arbeitgeber für gleiche Tätigkeit bei gleicher Qualifikation und Anforderung an eine Tätigkeit keine unterschiedliche Vergütung zahlen können.
Leider besteht ein weit verbreiteter Irrtum, dass geringfügig Beschäftigte, also u.a. Beschäftigte mit regelmäßig nicht mehr als 520,- € Verdienst pro Monat, anders behandelt werden können als „normale“ Beschäftigte. Geringfügig Beschäftigte sind aber ganz normale Beschäftigte und für sie gelten dieselben Regeln und Gesetze wie für die übrige Belegschaft. Einzig im Bereich der Sozialversicherung und der Steuer gibt es Besonderheiten. Aber die gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen zu Urlaub, Krankheit und auch Vergütung müssen in der Regel voll auf diese angewendet werden.
In der Praxis müssen die Arbeitsverträge darauf überprüft werden, ob Teilzeit- und Vollzeitkräfte gleich vergütet werden. Wenn man tatsächlich von diesem Grundsatz abweichen möchte, dann muss ein sachlicher Grund vorliegen. Zur Vorbereitung und Prüfung der Voraussetzungen einer solchen vertraglichen Ausgestaltung, ist dann dringend fachkundiger Rechtsrat einzuholen. Beschäftigte, die ungleich vergütet werden, sollten zeitnah die Differenzansprüche geltend machen, da sonst ein Verfall aufgrund von arbeitsvertraglichen Verfallklauseln droht. Die vorliegende Entscheidung ist auch wichtig für die Tätigkeit des Betriebsrats. Denn zu den allgemeinen Aufgaben nach § 80 Abs. 1 BetrVG gehören ja auch die Überwachung der zugunsten der Beschäftigten bestehenden Gesetze (Nr. 1) – hier § 4 TzBfG, die Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann (Nr. 2a) sowie die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Nr. 2b). Zudem bestehen die Informations- und Beratungsrechte aus § 7 Abs. 4 TzBfG sowie zur Personalplanung aus § 92 BetrVG. Betriebsräte sind daher gut beraten, die Entgeltgerechtigkeit der Teilzeitkräfte im Blick zu behalten.