Verhandlungspflicht des Arbeitgebers bei Zielvereinbarung mit Bonus
Grundsätzlich ist ein Arbeitgeber berechtigt, einseitige Ziele vorzugeben, die der Arbeitnehmer erfüllen muss, um eine erfolgsabhängige variable Vergütung zur erhalten. Hat der Arbeitgeber sich allerdings einmal vertraglich verpflichtet mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, darf er sich nicht gleichzeitig vorbehalten, die Ziele ohne Verhandlung einseitig festzulegen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 3. Juli 2024, Az. 10 AZR 171/23 entschieden.
Das BAG führt in seinen Leitsätzen aus: „Hat sich der Arbeitgeber vertraglich verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Tantieme– oder Bonuszahlung geknüpft ist, erfüllt er diese Vertragsverpflichtung regelmäßig nur, wenn er mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung führt und es diesem ermöglicht, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen.“
Sachverhalt
Die Parteien stritten über Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers wegen entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung für das Jahr 2020. Der Kläger war seit dem 16. März 2020 bei der Beklagten als Development-Direktor für das Ressort Schiffe beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah neben einer Festvergütung vor, dass der Mitarbeiter darüber hinaus auch eine erfolgsabhängige variable Vergütung erzielen kann, die maximal jährlich 180.000,00 € brutto beträgt. Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages hing die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden. Wortwörtlich sah der Arbeitsvertrag sodann vor: „Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben… “
Bezüglich der variablen Vergütung für 2020 forderte der Kläger mit E-Mail vom 25. Juni 2020 die Beklagte auf, in Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu treten. Daraufhin erfolgte eine Korrespondenz zwischen den Parteien und der Versuch, eine Zielvereinbarung zu finden. Letztlich lehnte die Beklagte den Vorschlag des Klägers Ende August 2020 ab. Sie teilte dem Kläger mit, dass sie nunmehr von ihrem Recht Gebrauch macht, die Ziele nach billigem Ermessen einseitig festzulegen. Der Kläger war sodann im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses infolge von Krankheit vom 26. Juni bis 18. August 2020 und vom 28. September bis zum 5. Oktober und vom 18. bis zum 25. November 2020 arbeitsunfähig. In dem Zeitraum vom 26. November bis 31. Dezember gewährte sie ihm Erholungsurlaub. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher fristgerechter Kündigung des Klägers mit Ablauf des 31. Dezember 2020. Eine Tantieme zahlte die Beklagte an den Kläger nicht. Daraufhin machte der Kläger seinen Anspruch auf Tantieme gerichtlich geltend. Er vertrat die Auffassung, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie es unterlassen habe, Zielvereinbarungsverhandlungen zu injizieren und mit ihm nicht über ihren verspäteten Vorschlag für eine Zielvereinbarung sowie sein Gegenangebot verhandelt zu haben. Er vertrat die Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Ziele einseitig vorzugeben und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 97.000,00 € brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Das Arbeitsgericht Hamburg gab der Klage sodann statt. Das LAG Hamburg hat das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und die Klage i. H. v. 14.392 86 € abgewiesen. Mit der vom LAG allein für die Beklagte zugelassenen Revision begehrte diese weiterhin eine vollständige Klageabweisung. Das Rechtsmittel der Beklagten hatte allerdings beim Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.
Entscheidung
Das BAG stellte fest, dass der Kläger wegen ihm entgangener, erfolgsabhängiger, variabler Vergütung für das Kalenderjahr 2020 aufgrund einer fehlenden Zielvereinbarung einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Die Höhe legte das BAG auf rund 83.000,00 € fest
Das BAG führt in seiner Begründung aus, dass der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflicht verletzt hat, mit dem Arbeitnehmer eine Zielvereinbarung für das Jahr 2020 abzuschließen. Die Zielvorgabe habe er nicht einseitig festlegen dürfen, entschied das Gericht. Die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag sei unwirksam, da sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 BGB unangemessen benachteilige. Die Klausel ermögliche dem Arbeitgeber, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen. Die Unwirksamkeit der Klausel hat wiederum hat nach § 306 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Bestimmung über die Zielvorgabe ersatzlos wegfällt.
Grundsätzlich sei ein Arbeitgeber zwar berechtigt, einseitig Ziele vorzugeben, die der Arbeitnehmer erfüllen müsse, um eine erfolgsabhängige variable Vergütung zu erhalten. Habe er sich aber einmal vertraglich verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, könne er diese Vertragspflicht regelmäßig nur erfüllen, wenn er mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung führt und es diesem ermögliche, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Diese Pflicht habe der Arbeitgeber in dem vorliegenden Fall schuldhaft verletzt.
Fazit
Das BAG hat den Arbeitgebern eine eindeutige Vorgabe gemacht und einen Riegel vor die Möglichkeit der einseitigen Bestimmung der Ziele durch den Arbeitgeber nach Scheitern einer Verhandlung um eine Zielvereinbarung gesetzt.
Arbeitgeber sollten zukünftig bei vergleichbarer vertraglicher Regelung nicht leichtfertig eine Verhandlung über die Zielvereinbarung für gescheitert erklären, sondern sich ernsthaft um die Vereinbarung von angemessenen Zielen bemühen. Ansonsten kann es für den Arbeitgeber teuer werden.
Das BAG hat in seiner Entscheidung auch nochmals ausgeführt, dass der Arbeitgeber realistische Ziele für die jeweilige Zielperiode anzubieten hat.
Das sind Ziele, die der Arbeitnehmer nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können. Der Arbeitgeber erfüllt diese Vertragspflicht regelmäßig nur dann, wenn er es dem Arbeitnehmer ermöglicht, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen und bereit ist, diese auszuhandeln. Denn nur so wird dem typischerweise bestehenden Interessen beider Seiten Rechnung getragen, auf die Festlegung der Ziele und der Gewichtung Einfluss nehmen zu können.
Die Möglichkeit der Einflussnahme ist jedoch nur gegeben, wenn der Arbeitgeber den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt.
Dies setzt zumindest voraus, dass sich der Arbeitgeber deutlich und ernsthaft zur Änderung eines gegebenenfalls von ihm unterbreiteten Vorschlags bereit erklärt. Diese Bereitschaft schlägt sich in der Regel in Änderung des vom Arbeitgeber formulierten Vorschlags nieder. Bleibt es nach gründlicher Erörterung bei dem Vorschlag des Arbeitgebers, kann aber auch dies als Ergebnis von Verhandlung gewertet werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber gestellte Zielvereinbarung ohne Weiteres akzeptiert. Allerdings muss der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar zur Änderung an seinem Vorschlag bereit gewesen sein.