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Urlaub doch nicht bis in alle Ewigkeit? - Verjährung und Verfall der Urlaubsabgeltung im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Zurzeit vergeht kein Monat, in dem das Bundesarbeitsgericht keine grundlegende Entscheidung zum Urlaubsrecht trifft. Kurz vor Weihnachten hat das Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 20. Dezember 2022 – Az.: 9 AZR 266/20; Az.: 9 AZR 245/19) klargestellt, dass Urlaub nur verjährt bzw. verfällt, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten darauf hingewiesen hat, dass ihnen Urlaub zusteht, der bei fehlender Inanspruchnahme verfällt. Fehlt es hieran, können auch noch Ansprüche aus früheren Jahren geltend gemacht werden, ohne dass sich der Arbeitgeber auf die regelmäßige dreijährige Verjährung nach nationalem Recht berufen kann. Über diese Entscheidungen hat unser Kollege Herr Rechtsanwalt Nikolaos Siametis bereits umfassend in unserem Blog berichtet.

Mit den oben genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts war jedoch noch nicht geklärt, ob dies auch für die Auszahlung nicht genommener Urlaubsansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt. Diese Frage hat nunmehr das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 31.01.2023 (Az.: 9 AZR 456/20) beantwortet. Herr Rechtsanwalt Dominik Kranz erläutert die Auswirkungen der aktuellen Entscheidung auf die arbeitsrechtliche Praxis und nimmt dies zum Anlass, nochmals das Thema der Urlaubsabgeltung näher zu beleuchten.

Grundsatz: Urlaub heißt auch tatsächlich Urlaub 

Wir rufen uns nochmal in Erinnerung: Im laufenden Arbeitsverhältnis ist der Urlaub in natura zu gewähren. Das heißt, dass der Urlaub tatsächlich vom Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr gewährt werden muss. Der Urlaub dient der Erholung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, sodass eine Zahlung anstelle der Urlaubsgewährung im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich ausgeschlossen ist. Durch die tatsächliche Urlaubsgewährung soll der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet werden, sich selbstbestimmt von der Arbeit zu erholen und den Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu nutzen.   

Urlaubsabgeltung nach Ende des Arbeitsverhältnisses

Was passiert jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis bspw. durch Kündigung des Arbeitgebers oder durch Eigenkündigung beendet wird und noch offene Urlaubsansprüche bestehen? In diesem Fall schafft § 7 Abs. 4 BUrlG Abhilfe. Danach ist der Urlaub abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer vor dem Beendigungstermin arbeitsunfähig erkrankt ist und aufgrund der Krankheit den bestehenden Resturlaub vor Ende der Zusammenarbeit nicht mehr nehmen konnte. § 7 Abs. 4 BUrlG regelt daher einen finanziellen Abgeltungsanspruch der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers. Der Anspruch ist sofort nach Ende des Arbeitsverhältnisses fällig, sodass der ausgeschiedene Mitarbeiter sofort die Zahlung vom Arbeitgeber verlangen kann.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung Ende Januar nun klargestellt, dass bei finanziellen Abgeltungsansprüchen für nicht genommenen Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch weiterhin die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Damit hat das Bundesarbeitsgericht die Hoffnung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Keim erstickt, noch Resturlaubsansprüche aus bereits Jahre zurückliegenden Arbeitsverhältnissen geltend zu machen.

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023 zu Grunde liegenden Fall war der Kläger in der Zeit vom 09.06.2010 bis zum 19.10.2025 in einer Flugschule als Ausbildungsleiter beschäftigt. Der Kläger hat seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen nicht gewährt bekommen, so dass er im August 2019 Klage erhoben und die Abgeltung seiner noch offenen Urlaubsansprüche aus einer Beschäftigungszeit bis zum 19.10.2015 geltend gemacht hat. Die beklagte Arbeitgeberin hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz wiesen die Klage ab (II. Instanz: LAG Niedersachsen, 20.8.2020 - 5 Sa 614/20).

Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgericht aus Dezember 2022 und Januar 2023 war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 (EuGH 6.11.2018 - C-684/16). Hierbei entschied der EuGH, dass Urlaub, den der Arbeitnehmer nicht im Urlaubsjahr genommen hat, nur dann verfällt, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig auf den bestehenden Urlaubsanspruch und dessen drohenden Verfall hingewiesen und ihn in die Lage versetzt hat, den Urlaub auch zu nehmen.  

Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Aus der Pressemitteilung vom 31.01.2023 lassen sich jedoch bereits erste Erkenntnisse entnehmen. Zusammengefasst hat das Bundesarbeitsgericht zur Begründung ausgeführt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch – anders als der Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis -  nicht auf die Freistellung von der Arbeitspflicht zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung gerichtet ist, sondern als reiner Geldanspruch der finanziellen Kompensation noch offener Resturlaubsansprüche dient. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt somit der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195 ff. BGB.

Die Verjährungsfrist beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in denen das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ankommt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der auch seine besondere Schutzbedürftigkeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub vom EuGH abgeleitet wird, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet. Für das Bundesarbeitsgericht ist das Ende der vertraglichen Zusammenarbeit eine Zäsur. Der Arbeitnehmer ist nicht mehr so schutzbedürftig wie während des laufenden Arbeitsverhältnisses.

Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich für Altfälle eine Übergangsfrist eingeräumt. Für Altansprüche aus der Zeit vor dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahrs 2018 zu laufen, sodass das Bundesarbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben hat.  

Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aus Dezember 2022 und Januar 2023 zeigen, dass zwischen dem Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis, der auf die Freistellung unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung gerichtet ist, und dem Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der lediglich der finanziellen Kompensation dient, zu unterscheiden ist.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023 ist nachvollziehbar. Der Urlaubsanspruch und der Urlaubsabgeltungsanspruch können bereits aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtung hinsichtlich der Frage der Verjährung nicht gleich behandelt werden. Das Ende des Arbeitsverhältnisses führt zu einer Zäsur und zu einer anderen Bewertung der Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers. Es wäre nicht zu erklären, warum der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch nicht der Verjährung unterliegt, wohingegen andere finanzielle Geldansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – wie bspw. der Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach § 611a Abs. 2 BGB – nach drei Jahren verjähren.

Bewertung für die Praxis:

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022 auch auf den Wegfall der Verjährungsfrist bei Urlaubsabgeltungsansprüchen gehofft hatten, wurden enttäuscht. Viele Arbeitgeber befürchteten nach den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts aus Dezember 2020 eine regelrechte Klageflut, dürften jedoch aufatmen. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023 besteht Klarheit, dass gegebenenfalls noch offene Resturlaubsansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die länger als drei Jahre zurückliegen, nicht mehr geltend gemacht werden können.

 

Dominik Kranz, Rechtsanwalt

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