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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

New Work und Betriebsrat – Ein Hindernis oder der Schlüssel zum Erfolg?

Bei “New Work” spielen die Begriffe Selbstbestimmtheit, Flexibilität und Agilität eine sehr große Rolle. Dies sind Begriffe, die nicht von allen mit der Zusammenarbeit und der Arbeitsweise von Betriebsräten verbunden werden. Von vielen Menschen in den Personalabteilungen und Geschäftsführungen, bei Agile-Beratungen und Coaches besteht das Vorurteil, dass Betriebsräte bei den Themen von New Work der sprichwörtliche Klotz am Bein seien und die Umsetzung durch sie erschwert würde. Aber stimmt dies denn wirklich? Rechtsanwalt Henning Meier gibt einen Überblick zu diesem spannenden Themenkomplex.

In diesem Beitrag wird auf einzelne Unterpunkte der neuen Arbeitswelt Bezug genommen und dabei die Frage gestellt, wie die Rolle des Betriebsrats hierbei ist. Mitbestimmung als Chance oder als Bremse der Veränderung?

 

1. Gründe und Treiber der Veränderung der Arbeitswelt

In der Industrie sind viele Arbeitsplätze und auch die Arbeitsmethoden in einem starken Wandel. Zwar gehen die Meinungen auseinander, ob die Digitalisierung tatsächlich zu einem Rückgang des Beschäftigungsbedarf führen wird. Worin sich aber alle einig sind, ist, dass sich die Art der Beschäftigung in der Produktion und insgesamt der Industrie stark verändern wird (siehe Klebe: Betriebsrat 4.0 – digital und global, NZA – Beilage 2017, 77). Auch im nicht produzierenden Gewerbe ist die Digitalisierung ein Motor für Veränderung. Arbeitsabläufe, die Kommunikation und Dokumentation laufen im Büroalltag vieler Orts schon (teilweise) digitalisiert. Die Digitalisierung ist aber jetzt schon auch eine der Hauptaufgaben der Betriebsräte in den Betrieben (Siehe 2. Digitalisierung der Arbeitswelt).

Neben diese Entwicklung tritt ein weiterer externer Druck auf die Unternehmen. Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass die Fragen des Personaleinsatzes und der Personalqualifizierung von enormer Bedeutung sind. Der demografische Wandel ist zudem sowohl Ursache des Fachkräftemangels, als auch ein weiterer Grund, warum die Fragen Personaleinsatz und -qualifizierung so wichtig sind. Denn auch der Einsatz von älteren Beschäftigten mit besonderen Anforderungen nimmt zu. Dem Betriebsrat kommt bei all dem eine entscheidende Rolle zu.

 

2. Mitbestimmung bei der Digitalisierung der Arbeitswelt

Die Digitalisierung betrifft eine Vielzahl von Bereichen der modernen Arbeitswelt. Damit verbunden ist dann auch eine Vielzahl von unterschiedlich starken Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats. Bei der Einführung von IT-Systemen, aber auch der Umstellung von analoger Arbeit zu digitaler Arbeit sind oftmals die §§ 87 Abs. 1 Nr. 6, 90, 92, 96ff BetrVG und teilweise auch die §§ 111,112 BetrVG betroffen. Ein weitergehendes Problem stellt die Komplexität von vielen digitalen Lösungen, insbesondere wenn diese cloudbasiert sind, dar. Die eingesetzten Produkte werden oft für den jeweiligen Kunden personalisiert und auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst. Dies bringt natürlich die Frage mit, wann und wie stark der Betriebsrat zum einen zu beteiligen ist und zum anderen, welche Unterstützung der Betriebsrat hierzu benötigt. Neben den juristischen Sachverständigen kommen eine Vielzahl von weiteren, technisch versierten Sachverständigen hinzu. Oftmals reicht das im Unternehmen vorhandene Know-How aber auch auf Arbeitgeberseite nicht aus. Zudem gilt ein Sachverständiger in diesem Bereich für den Betriebsrat regelmäßig als erforderlich (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG).

Die Lösung, die sich in der Praxis als vorzugswürdig erweist, ist, dass die Betriebsräte frühzeitig und transparent beteiligt werden. Dies beginnt bereits bei der Auswahl eines gemeinsamen Sachverständigen und den frühzeitigen Planungsschritten. Diese müssen ohnehin erfolgen. Den Betriebsrat bereits an dieser Stelle zu beteiligen, bringt finanzielle und zeitliche Vorteile. Der Betriebsrat ist dabei oftmals sehr hilfreich, weil er näher an der praktischen Umsetzung der Aufgaben ist und ein klareres Feedback der Belegschaft bekommt. Außerdem können mehrere Beteiligungsrechte gemeinsam bearbeitet werden. Für wiederkehrende Probleme oder Fragestellungen empfiehlt sich zudem der Abschluss von Rahmenbetriebsvereinbarungen. Diese machen eine Umsetzung der einzelnen Schritte effektiver und schneller (s. m. w. N. Ludwig/Hinze NZA 2021, 1444).

Mit der Frage der Digitalisierung geht zudem immer die Frage des Datenschutzes einher. Auch der Betriebsrat hat über die Einhaltung der Datenschutzvorschriften zu wachen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Diese Verpflichtung führt u.a. dazu, dass natürlich bei allen Betriebsvereinbarungen, bei der es auch um die Verarbeitung der Daten der Beschäftigten geht, der Betriebsrat dafür Sorge tragen muss, dass das Datenschutzrecht zu Gunsten der Beschäftigten auch eingehalten wird. Zudem kann eine Betriebsvereinbarung auch die Rechtfertigung für eine Datenverarbeitung sein. Auch bieten sich auch zu diesem Unterpunkt Rahmenbetriebsvereinbarungen an, welche die Sicherstellung des Datenschutzes vereinfachen können. Dies zeigt, dass auch in diesem Punkt der Betriebsrat ein möglicher Beschleuniger von Veränderungen sein kann.

 

3. Einführung von neuen Arbeitsmethoden – Agilität usw.

An mancher Stelle wurde kritisiert, dass im Betriebsverfassungsgesetz „Agiles Arbeiten“ nicht vorkommen würde. Dies sei ein klares Manko des Gesetzes. Diese Einstellung teilt der Verfasser dieses Beitrags nicht. Das Betriebsverfassungsgesetz ist flexibel genug, um verschiedene Arbeitsmethoden, unabhängig davon, ob diese agil sind oder nicht, zu erfassen. Auch jetzt, ohne explizite Regelung, treffen den Betriebsrat auch bei solchen Veränderungen erhebliche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Agile Arbeitsmethoden anzuwenden, bedeutet gerade nicht, einen regelfreien Zustand herbei zu führen. Wenn man das Agile Manifest und die damit verbundenen Grundwerte aber ernst nimmt, dann führt die Änderung zu solchen Arbeitsmethoden natürlich zu erheblichen und massiven Veränderungen in bestehenden Strukturen. Das gilt umso mehr, um so gefestigter die Strukturen bisher sind. In betriebsorganisatorischer Hinsicht zeichnet sich agiles Arbeiten durch die Abschaffung oder Abschwächung von hierarchischen Strukturen aus. Auch werden Rollen aufgelöst und neue Rollen geschaffen. Arbeitsrechtlich führt dies zu vielen Folgefragen. Erst kürzlich hat das Arbeitsgericht Bonn für einen Fall entschieden, dass ein starkes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG vorlag, da es um Gruppenarbeit in diesem Sinne ging (ArbG Bonn, Beschluss vom 6.10.2022 – 3 BV 116/21, BeckRS 2022, 32952). Daneben ist anerkannt, dass je nach Ausgestaltung sogar eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111, 112 BetrVG gegeben sein kann (BAG 18. März 2008 – 1 ABR 77/06; BAG 26. Oktober 2004 – 1 AZR 493/03). Die Auflösung und Zuweisung der Rollen kann zudem natürlich auch eine Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG darstellen. Das führt dazu, dass der Betriebsrat eine Vielzahl von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte hat, welche zumindest auf erster Stufe auch zu einer Vielzahl von Auskunftsansprüchen führt.

Der wichtigsten Vorteilsfaktoren sind hier aber wieder das Vertrauen der Belegschaft und die Vereinheitlichung von Prozessen. Der Betriebsrat bringt in der Phase der Umstrukturierung die Sichtweise der Belegschaft ein und kann insbesondere darüber wachen, dass tatsächlich entsprechend des agilen Manifests die Individuen und deren Rechte geschätzt und geschützt werden. Daneben können Vereinbarungen getroffen werden, welche die Umsetzung beschleunigen und vereinfachen.

 

4. Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort

Viel geschrieben wurde zuletzt insbesondere über die Flexibilisierung der Arbeitszeit und dabei der sog. „Paukenschlag“ oder auch „Stechuhr“ Entscheidung des BAG (Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Viele behaupten, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit aufgrund der aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG abgeleiteten Verpflichtung zur Arbeitszeit gar nicht mehr möglich sei.

Der Unterzeichner und nachfolgend der Kollege Herr Rechtsanwalt Christian Kaiser wiesen beide darauf hin, dass eine Flexibilisierung und auch eine sog. Vertrauensarbeitszeit weiter möglich sind. Dies muss sich in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes bewegen. Aber gerade dort sind teilweise auch Sonderregelungen durch Betriebsvereinbarungen möglich, wenn Tarifverträge dies ermöglichen (§ 7 ArbZG).

Standard ist es zwischenzeitlich in vielen Branchen und Unternehmen geworden, das sog. „Homeoffice“ den Beschäftigten anzubieten bzw. zu ermöglichen. Vorteile können sich für beide Seiten ergeben. Zum einen ist es der starke Wunsch von vielen Beschäftigten, dass sie Wegezeiten vermeiden und insgesamt flexibel darin sind, wo sie ihre Arbeit erbringen. Bei manchen Tätigkeiten macht es ja auch tatsächlich keinen Unterschied, wo der Computer sitzt, an dem die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung erbringen. Auch das Arbeiten im Ausland wird so deutlich einfacher, auch wenn hierzu noch weitere rechtliche Hürden bestehen bzw. Regelungen im Arbeitsvertrag sinnvoll erscheinen. Teilweise wird insofern fehlerhaft von „Workation“ gesprochen. Die Vermischung von Arbeit und Urlaub ist allerdings ein Widerspruch und der Begriff daher zumindest missverständlich.  Auch die Arbeitgeberseite sieht inzwischen Vorteile darin, wenn die Beschäftigten mobil arbeiten. Teilweise kann so Pacht für teure Büroräumlichkeiten eingesparte werden. Zudem zeigen Statistiken, dass die Beschäftigten eher mehr als weniger arbeiten, wenn sie dies zuhause oder mobil machen dürfen.

Dem Betriebsrat kommt hierbei eine wichtige Aufgabe zu. Denn verbunden ist das mobile Arbeiten auch mit einem hohen Bedarf an Arbeitsschutz und verbindlichen Regeln, in denen dann die Flexibilität stattfinden kann. Zudem kommen dem Betriebsrat eine Vielzahl von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten bei der Ausgestaltung des mobilen Arbeitens zu. Die Ausgestaltung sämtlicher Arbeitsplätze unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, jedenfalls soweit die Arbeitgeberseite das Ordnungsverhalten verbindlich regelt (vgl. LAG MV 25.2.2020 – 5 TaBV 1/20, NZA-RR 2020, 257; HessLAG 18.6.2020 – 5 TaBVGa 74/20). Wenn es um mobiles Arbeiten geht, geht es auch um die Lage der mobilen Arbeitszeit. Dann ist § 87 Absatz 1 Nr 2 BetrVG einschlägig. Beim wichtigen Thema Arbeitsschutz greift § 87 Absatz 1 Nr 7 BetrVG. Daneben kommen auch die Rechte aus §§ 89, 90 Absatz 1 Nr 4 BetrVG in Betracht. Auf das bei New Work und Digitalisierung immer wichtige Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wegen der Verwendung von IT wurde bereits ausführlich hingewiesen.

 

5. Personalplanung und -qualifizierung

Im Bereich der Beschäftigungssicherung und Qualifizierung hat der Betriebsrat gemäß § 92a BetrVG das Recht, Vorschläge zum Erhalt und zur Förderung der Beschäftigten zu machen. Er ist überdies natürlich auch gemäß § 92 BetrVG über die Personalplanung umfassend zu unterrichten. Oft stiefmütterlich behandelt wird zudem der Unterabschnitt zur Berufsbildung. Dem Betriebsrat stehen hierbei durchaus starke Rechte zur Förderung und Durchführung der betrieblichen Bildung zu. Zu der Berufsbildung in diesem Sinne gehört nicht nur die klassische Ausbildung nach dem BBiG. Der Begriff im Betriebsverfassungsgesetz ist deutlich weiter. Gerade in dem großen Bereich der Qualifizierung und Umschulung ist der Betriebsrat ein wichtiger Player.

Hier können wir davon sprechen, dass es sich um stiefmütterlich behandelte Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte handelt, die aber eine große Durchschlagskraft bei New Work besitzen. Dem Betriebsrat stehen grundsätzlich ein Unterrichtungs-, Beratungs- und Vorschlagsrecht bei der Personalplanung und der Sicherung von Beschäftigung zu. In Sachen Qualifizierung und Weiterbildung kann der Betriebsrat verlangen, dass der Arbeitgeber den Berufsbildungsbedarf ermittelt und mit ihm erörtert. Wenn Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung durchgeführt werden, habe er über deren Art und Weise mitzubestimmen. Zudem bestimmt er mit, wer die Berufsbildungsmaßnahmen besucht. Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung solcher Maßnahmen kommt in Betracht, wenn sich bspw. durch agile Arbeit die Tätigkeit von Beschäftigten ändert und die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Aufgabenerfüllung nicht mehr genügen.

 

Fazit

Nach diesseitiger Auffassung kommt dem Betriebsrat eine Schlüsselfunktion bei dem Thema New Work zu. Ohne ihn geht es nicht – mit ihm geht es unter Umständen sogar einfacher und schneller. In fast allen Bereichen der Transformation zu New Work bestehen starke Mitbestimmungsrechte. Das heißt, wird der Betriebsrat nicht respektiert und entweder ignoriert oder die Konfrontation gesucht, kann er tatsächlich viele Veränderungen behindern und verlangsamen. Zudem würde dann die Akzeptanz der Belegschaft deutlich geringer ausfüllen, bei den Veränderungen auch aktiv mitzumachen und diese anzunehmen. Auch und besonders in den Betrieben, in denen die Beziehung zwischen Arbeitgeberseite und Betriebsrat schwierig ist, gelten daher die folgenden Ratschläge:

 

- Umfassende Schulung des Betriebsrats für Themen rund um New Work

- Frühzeitige Einbindung des Betriebsrats in Veränderungsprozesse und Planungen

- Schaffung von „Waffengleichheit“ durch Nutzen derselben Sachverständigen

- Personalplanung und insbesondere Personalentwicklung ist ein Schlüsselthema

-  Rahmenvereinbarungen erleichtern die Arbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite – Vereinfachung der Folgeschritte

 

Die Umgestaltung der Arbeitswelt, eine Flexibilisierung und Modernisierung von Arbeitsmethoden kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Arbeitgeberseite und der Betriebsrat Hand in Hand arbeiten. Die Umsetzung über (Rahmen-) Betriebsvereinbarungen bietet eine Vielzahl von Vorteilen, da Veränderungen schneller umgesetzt werden können und verbindliche Regelungen für die gesamte Belegschaft getroffen werden können.

Henning Meier, Rechtsanwalt

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