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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber Terrorsympathisanten und Antisemiten

Mit der anstehenden Güteverhandlung der Kündigungsschutzklage von Anwar El Ghazi gegen den FSV Mainz 05, die am 20. Dezember 2023 vor dem ArbG Mainz stattfinden wird, rückt die Bedeutung von Äußerungen auf sozialen Netzwerken im Arbeitsrecht erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die Posts von Anwar El Ghazi von FSV Mainz 05 und Noussair Mazraoui von FC Bayern München, die Parolen wie "Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein" und Aufrufe zur Unterstützung für Palästina enthielten, haben große Aufmerksamkeit erregt. Während Mainz 05 El Ghazi für seine Äußerungen freistellte und später kündigte, blieben für Mazraoui zunächst keine direkten Konsequenzen. Diese Ereignisse werfen in arbeitsrechtlicher Hinsicht wichtige Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Begrenzung der Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz und der Handlungsmöglichkeiten, die Arbeitgebern bei Überschreitungen dieser Grenzen zur Verfügung stehen. Aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen von Mainz 05 und Bayern München auf die verschiedenen politischen Äußerungen ihrer Spieler werden die Sachverhalte zunächst kurz dargestellt.

Der Fall Anwar El Ghazi

Wie bereits einleitend erwähnt, teilte Anwar El Ghazi auf sozialen Netzwerken einen Beitrag, in dem es unter anderem hieß: "Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein." Zumindest geographisch ist klar, was der Slogan "Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein." umreißt: Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen. Die politische Botschaft, die von dieser Parole ausgeht, ist jedoch hoch umstritten. In Deutschland wurde sie Anfang November vom Bundesinnenministerium verboten, weil durch diese Parole Israel praktisch das Existenzrecht abgesprochen wird. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Verbotsverfügung gegen die Hamas durch das Bundesinnenministerium vom 2. November und den nach und nach bekanntwerdenden Einschätzungen einiger Generalstaatsanwaltschaften. Mainz 05 zumindest reagierte bereits vor der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums auf Anwar El Ghazis Verhalten, indem der Verein ihm eine Abmahnung erteilte und ihn mit sofortiger Wirkung freistellte.

Nach Gesprächen mit Mainz 05 äußerte Anwar El Ghazi in einem Post seine Verurteilung der Gewalt gegen Zivilisten in Israel und Palästina und betonte seine Unterstützung für die Opfer des Konflikts. Daraufhin gab der Verein bekannt, ihm eine zweite Chance zu geben. Die Situation änderte sich jedoch, als El Ghazi kurz darauf erklärte, seine Position nicht zu bereuen und sich nicht davon zu distanzieren. Mainz 05 reagierte mit Überraschung und kündigte an, den Fall juristisch zu prüfen, was schließlich zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung El Ghazis führte. El Ghazi veröffentlichte daraufhin einen weiteren propalästinensischen Post und zitierte: "Stehe für das Richtige ein, auch wenn du allein stehst.".

Der Fall Noussair Mazraoui

Im Vergleich dazu ereignete sich beim FC Bayern München folgender Fall: Am 15. Oktober verbreitete der Bayern-Profi Noussair Mazraoui in den sozialen Netzwerken ein Video, in dem den Palästinensern im Konflikt mit Israel ein Sieg gewünscht wird. Der Fußballspieler teilte einen kurzen Clip, in dem eine Stimme im Stil eines Gebets sagt: "Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen. Möge Gott den Toten Gnade schenken, möge Gott ihre Verwundeten heilen.". Im Bild ist eine wehende Flagge Palästinas zu sehen. Dazu schrieb Mazraoui in dem Eintrag "Ameen" (Amen) neben einem Emoji mit gefalteten Händen. Prekär war zudem, dass Mazraoui den israelischen Spieler Daniel Peretz als Mannschaftskollegen hat. Nachdem der Post für Aufsehen gesorgt hatte, äußerte sich der Fußballer am Abend desselben Tages erneut. In seiner Erklärung hieß es in englischer Sprache: "Der Punkt ist, dass ich nach Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt strebe. Das bedeutet, dass ich immer gegen alle Arten von Terrorismus, Hass und Gewalt sein werde."

Einige Tage nach einem umstrittenen Social-Media-Post führte der FC Bayern München ein ausführliches Gespräch mit Noussair Mazraoui. Der Verein erklärte, dass Mazraoui sich als friedliebend positioniert und Terror sowie Krieg ablehnt. Er bedauerte mögliche Irritationen durch seine Posts. Bayern München bestätigte, dass Mazraoui weiterhin Teil des Kaders bleiben wird.

Arbeitsrechtliche Bewertung

Mainz 05 und der FC Bayern München haben völlig unterschiedlich auf die Posts ihrer Spieler reagiert. Während Mainz 05 zur Kündigung schritt, blieb das Verhalten des Spielers des FC Bayern München – soweit bekannt – sanktionslos.

Bei der rechtlichen Bewertung der Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern ist zu beachten, dass Arbeitnehmer ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG nicht abgeben, wenn sie einen Arbeitsvertrag unterzeichnen. Aber auch im Betrieb gilt die Meinungsfreiheit im Wege der mittelbaren Drittwirkung über die arbeitsrechtlichen Generalklauseln. Sie wird nicht schrankenlos gewährt, sondern gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Hierzu zählt § 241 Abs. 2 BGB, der die Pflicht beinhaltet, den Betriebsfrieden nicht zu stören. Dieser Begriff umfasst ein konfliktfreies Zusammenleben im Betrieb, wobei die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen. Äußerungen, die das betriebliche Miteinander beeinträchtigen, können eine Störung des Betriebsfriedens bedeuten, sofern sie in Form, Inhalt und Häufigkeit nicht gerechtfertigt sind. Dabei kann die einmalige Mitteilung einer politischen Meinung, selbst wenn sie abwegig oder verfassungswidrig ist, nicht per se als Störung angesehen werden. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG endet jedoch bei strafbaren Beleidigungen, Volksverhetzung, Billigung von Straftaten oder bei einer Beeinträchtigung der Menschenwürde anderer Personen. Ebenfalls ausgeschlossen ist der Schutzbereich bei Äußerungen, die als Angriff auf die Menschenwürde, als Formalbeleidigung oder als Schmähkritik zu bewerten sind.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen in Bezug auf das Verhalten von Arbeitnehmern außerhalb des Arbeitsplatzes kommen indessen nur dann in Betracht, wenn dieses Verhalten Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Während Arbeitnehmer in ihrem Privatleben grundsätzlich nicht verpflichtet sind, die Interessen des Arbeitgebers zu beachten, fordert § 241 Abs. 2 BGB, dass sie auch außerhalb der Arbeitszeit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen. Eine Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers liegt vor, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers eine Verbindung zum Arbeitsverhältnis oder Betrieb aufweist. Insbesondere politische Äußerungen auf sozialen Medien, die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten und einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben, können rechtliche Folgen für den Arbeitnehmer haben. Da es sich bei den Posts der hier in Rede stehenden Fußballer um allgemein zugängliche Äußerungen mit einer sehr großen Reichweite handelt, besitzen diese kündigungsrechtlich eine andere Brisanz als Äußerungen in einem zugangsbeschränkten Bereich.

Die Wahl der angemessenen und zulässigen arbeitsrechtlichen Reaktion hängt stets vom konkreten Einzelfall ab. In der Regel kommt eine verhaltensbedingte Kündigung erst dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt wurde. Ohne vorherige Abmahnung kann nur dann gekündigt werden, wenn der Arbeitnehmer das Vertrauensverhältnis durch eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung zerstört hat. Eine Abmahnung ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dann nicht erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten auch nach einer Abmahnung nicht ändern wird, oder bei so schweren Pflichtverletzungen, dass ihre Duldung dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar ist.

Der FC Bayern München akzeptierte Mazraouis Einlassung, in der er sich als friedliebender Mensch darstellte und betonte, dass er Terror, Hass und Gewalt entschieden ablehnt. Weiterhin zeigte Mazraoui Reue dafür, dass seine Social-Media-Posts eventuell zu Missverständnissen geführt haben könnten. Infolgedessen blieb das als israelfeindlich bewertete Statement des Spielers – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – sanktionslos. Das Zeigen der palästinensischen Flagge als solches dürfte ohnehin als bloße Solidaritätsbekundung von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, zumal die palästinensische Flagge kein Kennzeichen einer verbotenen Terrororganisation ist.

Mainz 05 sah in dem Verhalten seines Spielers einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob im Rahmen einer Interessenabwägung die Meinungsfreiheit des Spielers, die durch Art. 5 GG geschützt ist, gegenüber den Interessen des Vereins, wie dessen nach außen vertretene Werte, den Imageschaden und die Auswirkungen solcher Äußerungen auf das interne Betriebsklima, überwiegt. Bei dieser Abwägung wird das ArbG Mainz den genauen Sinn der Aussage und das Verhalten nach der Aussage berücksichtigen. Der Spruch „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“ spricht dem Staat Israel das Existenzrecht ab, indem ein freies Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer gefordert wird. Wird diese Äußerung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Taten der Hamas geäußert, könnte dies bei objektivierter Auslegung als Billigung dieser Taten verstanden werden, womit eine Strafbarkeit nach § 140 StGB (Billigung von Straftaten) vorliegt. Eine Kündigung kommt daher im Fall eines Bezugs zum aktuellen Terror schon bei einer einmaligen Äußerung insbesondere dann in Betracht, wenn es zu tatsächlichen Störungen kommt. Das ArbG Mainz wird zudem beachten müssen, dass Mainz 05 nach El Ghazis erstem umstrittenen Post mit einer Abmahnung und Freistellung reagierte. Entscheidend wird somit sein, auf welchen genauen Beitrag sich El Ghazi in seiner späteren Äußerung bezogen hat, nachdem er abgemahnt wurde.

Der Fall El Ghazi ist auch deshalb bemerkenswert, weil Entlassungen oder Freistellungen von Trainern und Managern im Fußball zwar an der Tagesordnung sind, bei Fußballspielern jedoch eher selten vorkommen. Eine fristlose Kündigung bedeutet für den Verein den Verlust der Möglichkeit, einen Spieler, wie im Fall von El Ghazi, dessen Vertrag bis zum 30. Juni 2025 läuft und dessen Marktwert auf 3 Millionen Euro geschätzt wird, später zu verkaufen. Der FSV Mainz 05 muss dabei nicht nur ein mögliches Urteil zu Gunsten von El Ghazi befürchten, sondern auch das Risiko des Verzugslohns tragen, da er derzeit vereinslos ist. Die Entscheidung des FSV Mainz 05 steht somit im Kontrast zu den üblichen Praktiken im Profifußball, wie der Fall von Noussair Mazraoui beim FC Bayern München zeigt. El Ghazi wiederum muss abwägen, ob ein langwieriger Rechtsstreit mit dem FSV Mainz 05 ratsam ist, zumal dies seine aktive Laufbahn zumindest bis zum 30. Juni 2025 auf Eis legen und möglicherweise sein Karriereende bedeuten könnte.