Neues zur Betriebsratsvergütung
Die Bundesregierung hat Mitte letzter Woche einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Betriebsratsvergütung vorgelegt, der Rechtssicherheit bei der Festlegung der Bezahlung von Mitgliedern des Betriebsrates schaffen soll.
Für besondere Aufmerksamkeit und Unsicherheit hat das Thema Betriebsratsvergütung zuletzt mit einem Urteil des Strafsenats des Bundesgerichtshof (BGH) vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 gesorgt.
Gewähren verantwortliche Unternehmensleiter Betriebsratsmitgliedern überhöhte Arbeitsentgelte, können diese sich nach einem Urteil des BGH wegen Untreue (§ 266 StGB) u.a. wegen Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 StGB) strafbar machen. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat zu einer erheblichen Unsicherheit in der Praxis geführt. Unternehmen kürzten u.a. die Vergütung ihrer Betriebsräte; diese wiederum klagten vor den Arbeitsgerichten.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zunächst eine Expertenkommission „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ eingesetzt, die einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat, der Rechtssicherheit bei der Bestimmung der Vergütung von Mitgliedern von Betriebsräten schaffen soll. Die Vorschläge der Kommission hat die Regierung in ihrem Gesetzesentwurf weitgehend übernommen.
Die Bemessung der Vergütung, insbesondere der freigestellten Mitglieder des Betriebsrates, ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bisher nur rudimentär geregelt. Bei der Vergütungsbestimmung ist regelmäßig maßgeblich die Vergütungsentwicklung der Vergleichsperson (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Eine hypothetische Betrachtung der Vergütungsentwicklung ist nur innerhalb enger Ausnahmen möglich. Nach § 78 S. 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hingegen hat zu den Grundsätzen der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in einer Vielzahl von Entscheidungen für mehr Rechtsicherheit gesorgt. So hat das BAG zuletzt mit Urteil vom 23. November 2022 – 7 AZR 122/22 Orientierungssätze aufgestellt, die sich mit der Frage der vergleichbaren Arbeitnehmer unter anderem beschäftigt haben.
Nach § 37 Abs. 4 I BetrVG alte Fassung darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden.
Vergleichbar im Sinne von § 37 Abs. 4 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im wesentlich gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Die Vergleichsgruppe kann sich aber auch ändern, insbesondere im Fall einer Beförderung oder bei Vereinbarung einer hierarchisch niedrig angesiedelten Tätigkeit, wie das BAG mit vorgenannter Entscheidung ausgeführt hat. All dies findet sich allerdings im Wortlaut des § 37 Abs. 4 BetrVG nicht wieder.
Durch eine präzise Regelung und der Möglichkeit der Bestimmung von Vergleichsgruppen soll nunmehr mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf das Risiko der Strafbarkeit redlich handelnder Arbeitgeber und betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger verringert werden. Die Mitglieder des Betriebsrats erhalten durch die vorgeschlagene Änderung keinen zusätzlichen oder erhöhten Anspruch.
Die Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG sollen um folgende drei konkretisierende Sätze ergänzt werden:
„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach S. 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“
Der zweite Teilsatz des vorgeschlagenen Satz 3 eröffnet die Möglichkeit einer abweichenden Festlegung, soweit ein sachlicher Grund eine spätere Neubestimmung verlangt. Eine weitergehende Konkretisierung, in welchen Fällen eine Neubestimmung aus sachlichen Gründen erforderlich ist, soll auch in der künftigen gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen sein. In der Gesetzesbegründung wird unter Bezugnahme auf das BAG-Urteil vom 23. November 2022 auf die Beispielskonstellation verwiesen, wonach bei einem beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds, das die Anforderung einer höher dotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, im Anschluss daran die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein kann. Nach dem BAG ist es den Betriebsparteien bereits erlaubt, konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG zu treffen, beispielsweise zur Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer. Solche Regelungen müssen sich allerdings immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen (BAG-Urteil vom 18. Januar 2017, 7 AZR 205/15). Der Gesetzesentwurf sieht nun eine Kodifizierung dieser Möglichkeiten vor und soll Betriebsparteien Anreize setzen, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen. Die gerichtliche Überprüfung soll sich somit dann nur noch auf Fälle der groben Fehlerhaftigkeit beschränken.
Die zweite Gesetzesänderung betrifft den § 78 S. 2 BetrVG.
Nach Ansicht des BAG soll sich ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit darstellt (BAG-Urteil vom 23. November 2022). Eine Benachteiligung liegt z.B. vor, wenn eine Beförderung auf eine höher ausgeschrieben dotierte Stelle wegen der Betriebsratstätigkeit abgelehnt wird. Diese unzulässige Benachteiligung ist vom Betriebsratsmitglied darzulegen und zu beweisen. Der Gesetzesentwurf sieht nunmehr vor, dass § 78 BetrVG um einen Satz 3 wie folgt ergänzt wird:
„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in S. 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelt erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“
Weiterhin soll es nicht von Relevanz sein, ob das Betriebsratsmitglied mit der Geschäftsführung auf Augenhöhe verhandele oder sich während seiner Betriebsratstätigkeit besondere Kenntnisse oder Erfahrungen angeeignet habe, wenn diese nicht im Zusammenhang mit der bisher wahrgenommenen Arbeitstätigkeit stehen.
Fazit:
Mit dem Gesetzesentwurf wird (lediglich) die bisherige Rechtsprechung des BAG aufgegriffen und teilweise kodifiziert und soll mit Blick auf die Entscheidung des BGH für Rechtssicherheit führen.
Betriebsparteien ist weiterhin zu raten, konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu treffen, beispielsweise zur Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer. Solche Regelungen mussten sich auch bisher im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen, wie das BAG bereits entschieden hat. Der Gesetzentwurf sieht eine Kodifizierung dieser Möglichkeiten vor und soll Anreize setzen, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen. Eine gerichtliche Überprüfung soll auf Fälle der groben Fehlerhaftigkeit beschränkt sein. Angesichts der Vielzahl betrieblicher Stellenanforderungen und Bewertungen werden den Betriebsparteien keine konkreten Kriterien zur Bestimmung der jeweiligen Vergleichsvorgaben gemacht. Betriebsparteien können konkrete Vergleichspersonen benennen. Wenn dies in Textform, also auch außerhalb einer Betriebsvereinbarung erfolgt, soll sich die gerichtliche Überprüfung auch insoweit auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränken.