Nachweisgesetz: ein bisher zahnloser Tiger nimmt Fahrt auf!
Das Nachweisgesetz (NachwG), sprich das Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen, ist seit dem 28.07.1995 in Kraft. Bisher fristete dieses Gesetz jedoch ein eher kümmerliches Dasein, da Arbeitgeber ohnehin die wesentlichen Arbeitsbedingungen – so wie in § 2 NachwG im Einzelnen aufgeführt – in ihre regelmäßig schriftlich vereinbarten Arbeitsverträge mitaufnehmen. Vor allem aber hatte bisher der Verstoß gegen das Nachweisgesetz keine praktische Konsequenz, insbesondere ist der rein mündlich vereinbarte Arbeitsvertrag nicht deswegen unwirksam. Allein im Streitfall mag der Umstand, ob eine Arbeitsbedingung dem Nachweisgesetz genügend schriftlich niedergelegt worden ist oder nicht, eine erleichterte Beweisführung zur Folge haben zu Gunsten des Arbeitnehmers.
Nun aber kommt die EU ins Spiel, sprich die Richtlinie (EU) 2019 / 1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union.
Diese Richtlinie ist am 31.07.2019 in Kraft getreten und auch Deutschland ist als Mitgliedsstaat bis 31.07.2022 verpflichtet, die Richtlinie in deutsches nationales Arbeitsrecht umzusetzen. Ansonsten gelten die Regelungen ab 01.08.2022 auch ohne Umsetzung selbst unmittelbar. Der Gesetzgeber hat nun unter dem 02.05.2022 einen Gesetzentwurf zur Änderung unter anderem des Nachweisgesetzes, aber auch des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, der Gewerbeordnung und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz soll am 01.08.2022 in Kraft treten.
In den Katalog der nunmehr in kürzerer Frist dem Arbeitnehmer schriftlich niederzulegenden Arbeitsbedingungen wird neu aufgenommen
- sofern vereinbart die Dauer der Probezeit,
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgeltes, einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen sowie – sofern vereinbart - die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen.
Vor allem aber ist nun ebenso schriftlich niederzulegen das bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage. § 7 KSchG - Kündigung gilt als wirksam, wenn Arbeitnehmer die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage versäumt – soll aber von dem ordnungsgemäßen oder fehlenden Nachweis der Drei-Wochen-Frist im Arbeitsvertrag unberührt bleiben und findet weiter Anwendung.
Letzteres ist neu. Denn mögen Arbeitsverträge bisher schon Regelungen zur Dauer von Kündigungsfristen enthalten und zudem den Hinweis, dass eine Kündigung schriftlich zu erfolgen hat, so findet sich aber bisher in den Musterarbeitsverträgen nichts zur Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage. Allerdings stellt der Gesetzgeber mit dem Verweis auf § 7 KSchG klar, dass nach seiner Sicht die Rechtsfolgen eines fehlenden Nachweises nicht allzu gravierend sein sollen.
Hierzu stellen sich nun mehrere Fragen, nämlich zum einen, ob die Rechtsprechung tatsächlich nichts weiter aus einem fehlenden Hinweis auf die Drei-Wochen-Frist macht. Vorstellbar wäre ein Anspruch auf Schadensersatz zu Gunsten des Arbeitnehmers, wenn er die Drei-Wochen-Frist versäumen sollte und hierauf im Arbeitsvertrag nicht hingewiesen wurde. Zum anderen stellt sich die Frage, was das denn sein soll, nämlich das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren. Zu den bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor allem vom Arbeitgeber einzuhaltenden Verfahren wird sicherlich zählen die vorherige Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG, aber auch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, uU das Integrationsamtsverfahren nach SGB IX, vielleicht aber auch das betriebliche Eingliederungsmanagement im Vorfeld einer personenbedingten Kündigung etc. Man wird gespannt abwarten dürfen, welche Blüten die Rechtsprechung in Zukunft angesichts des doch eher vagen Gesetzeswortlauts treiben wird.
Schließlich wird das Nachweisgesetz neu um Bußgeldvorschriften ergänzt, d.h. wer ab dem 01.08.2022 die laut Nachweisgesetz erforderlichen wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig dem Arbeitnehmer aushändigt, handelt ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße von bis zu 2.000,00 € belegt werden.
Hat das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 01.08.2022 bestanden, so ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen hin spätestens am siebten Tag bzw. innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift mit den nunmehr erforderlichen Angaben auszuhändigen und im Übrigen das neue Bußgeldregime zu beachten.
Kurzum, bestehende Musterarbeitsverträge sind spätestens ab 01.08.2022 zu überarbeiten, insbesondere mit Blick auf die nunmehr erforderlichen Angaben zum Kündigungsverfahren und der Frist zur Kündigungsschutzklage. Ansonsten droht demnächst jedenfalls ein Bußgeld.