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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Bundestag beschließt Hinweisgeberschutzgesetz - Was müssen Unternehmen jetzt wissen?

Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das lang erwartete Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus. Das Hinweisgeberschutzgesetz dient der nationalen Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie. Ziele der Richtlinie sind der Schutz der meldenden Person vor Repressalien nach einer Meldung, wie etwa arbeitsrechtliche Maßnahmen (Abmahnung, Versetzung, Kündigung o.ä.), Belästigungen, Ausgrenzung, negativer Leistungsbeurteilung etc..

  

Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeiter müssen ab Verkündung des Gesetzes dazu binnen drei Monaten ein Hinweisgebersystem einrichten und betreiben. Andernfalls droht ein empfindliches Bußgeld sowie der legale Abfluss von kritischem Know-how durch Mitarbeitende des Unternehmens. Ab dem 17. Dezember 2023 gilt diese Verpflichtung dann auch für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden. Rechtsanwältin und Mediatorin Katharina Meyer-Renkes fasst alles Wichtige zusammen und erklärt, was Unternehmen jetzt wissen müssen.

  

Bisheriger Schutz von Hinweisgebern:

Hinweisgeber sind in Deutschland nach bisheriger Rechtslage nicht schutzlos. Das deutsche Recht kennt eine Reihe spezifischer Regeln mit Bezug zum Whistleblowing. Punktuelle Beschwerderechte beinhalten z.B. die Vorschriften des § 17 ArbSchG, die §§ 84 ff. BetrVG, die §§ 13, 16 und 27 AGG, aber auch die §§ 67 Abs. 2 Nr. 3 BBG und 48 GWG sowie 23 Abs. 3 WpHG. Darüber hinaus gibt es in bestimmten Rechtsgebieten in Deutschland bereits eine Schaffung bestimmter Strukturen, die eine Art Whistleblowing bzw. Beschwerdemanagement ermöglichen sollen, so etwa die §§ 25 Abs. 1 und 3 Nr. 3 KWG, § 4 d Abs. 1 FinDAG, die §§ 13 und 27 AGG sowie die bereits genannten Vorschriften des  BetrVG.

Darüber hinaus gibt es eine allgemeine Vorschrift im Arbeitsrecht, die Mitarbeitende vor Maßregelung schützt. Hierbei handelt es sich um § 612 a BGB, welcher eine Benachteiligung von Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber verbietet, sofern Mitarbeitende in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben. Problematisch ist hier, dass die Darlegungs- und Beweislast für die zulässige Rechtsausübung und unzulässige Maßregelung durch den Arbeitgeber beim Mitarbeitenden liegt. Nach der bisherigen Rechtsprechung hat der Mitarbeitende eine vorherige innerbetriebliche Klärung durchzuführen (sofern zumutbar) und eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei auch hier eine Abwägung der Grundrechte, unter anderem der Art. 2 und Art. 5 GG vorzunehmen ist.

Darüber hinaus enthält das Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GeschGehG), welches ebenfalls auf eine EU-Richtlinie zurückgeht, in § 5, der einen Ausnahmetatbestand darstellt, einen Schutz des Whistleblowers, der Geschäftsgeheimnisse offenlegt. Danach ist die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nicht verboten, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt, insbesondere zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. § 5 Nr. 2 Geschäftsgeheimnisgesetz enthält damit eine Sonderregelung zum Schutz des Hinweisgebers.

 

Inhalt des Hinweisgeberschutzgesetzes:

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz dehnt den Anwendungsbereich über die Vorgaben der EU-Richtlinie auch auf Informationen über Straftaten jeder Art und schwere Ordnungswidrigkeiten  und auf Hinweise auf Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, aus.

 Der persönliche Anwendungsbereich ist weit gefasst und umfasst alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben, insbesondere: Arbeitnehmer, Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeitnehmer, Selbständige, die Dienstleistungen erbringen, Lieferanten oder deren Mitarbeiter, Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien.

 Das Hinweisgeberschutzgesetz bezweckt einen umfassenden Schutz von Whistleblowern. Dazu sieht das Gesetz folgendes vor:

 ·      Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten müssen sichere interne Hinweisgebersysteme installieren und betreiben. Kleineren Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten wird noch eine Schonfrist bis Ende 2023 eingeräumt.

·      Die Whistleblower müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben.

·      Meldekanäle müssen ab dem 01. Januar 2025 die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

·      Wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen bestätigen.

·      Innerhalb von drei Monaten wiederum muss die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren, z. B. über die Einhaltung interner Client Compliance Untersuchung oder die Weiterleitung einer Meldung an eine zuständige Behörde.

·      Als zweite gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Die Bundesländer können darüber hinaus eigene Meldestellen einrichten.

·      Whistleblower sollen frei darüber entscheiden können, ob sie eine Meldung an interne Meldestellen ihres Unternehmens abgeben oder die externe Meldestelle nutzen möchten.

·      Zum Schutz des Whistleblower vor Repressalien enthält das Gesetz eine weitergehende Beweislastumkehr:

Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit benachteiligt, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Zudem kommen materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche des Whistleblowers aufgrund vermuteter Repressalien in Betracht. Im Einzelfall kommen somit auch Schmerzensgeldansprüche in Betracht.

Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Aspekte des Hinweisgeberschutzgesetzes sind  insbesondere, dass der Hinweisgeber geschützt ist, wenn er den Vorwurf für wahr halten durfte. Er ist vor Benachteiligung aller Art geschützt, z.B.:

- Kündigung

- Auslaufenlassen befristeter Arbeitsverträge

- Übergehen bei Beförderung oder Gehaltserhöhung

- Mobbing, Einschüchterung, Rufschädigung etc..

Besonders zu beachten ist die Beweislastumkehr, wenn im Umfeld eines Whistleblowers Personalmaßnahmen umgesetzt werden. Dies betrifft z. B. die Fälle, in denen der Whistleblower seine Identität preisgibt oder wenn die Meldestelle selbst gegen die Vertraulichkeitspflicht verstößt. In all diesen Fällen ist die Identität des Whistleblowers ausnahmsweise bekannt. Und so kann z. B. bereits die Nichtberücksichtigung eines Whistleblowers bei einer anstehenden Beförderung, bei einer Versetzung oder einer bloßen Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages als Repressalie gewertet werden, mit der Folge, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass dies gerade keine Benachteiligung des Whistleblowers wegen einer von ihm abgegebenen Meldung war.

Gelingt dieser Entlastungsbeweis nicht, kommen materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche in Betracht, somit auch Schmerzensgeldansprüche des Whistleblowers und Bußgelder.

Die Beweislastumkehr könnte gegebenenfalls ausgenutzt werden, um im Kündigungsschutzverfahren eine zusätzliche „Waffe“  in Stellung zur bringen.

 

Bedeutung für die Praxis:

Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeitende beschäftigen, müssen sich mit der neuen Rechtslage auseinander setzen. Das Gesetz wird 3 Monate nach Verkündung in Kraft treten. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist komplex; insofern ist eine rechtzeitige Vorbereitung zu empfehlen.

Wichtig ist es, eine interne Meldestelle im Unternehmen einzurichten oder bestehende Systeme dahingehend zu überprüfen, dass sie den gesetzlichen Anforderungen genügen. In Konzernstrukturen kann überlegt werden, ob eine konzernweite Meldestelle errichtet wird, da dies nach dem Gesetz ermöglicht wird. International aufgestellte Unternehmen müssen aber auf das jeweils geltende nationale Recht achten, da eine Konzernlösung nicht von allen EU-Staaten vorgesehen ist.

Es müssen ferner klare Vorgaben im Unternehmen erlassen werden, wie der verfahrenstechnische Umgang mit Meldungen stattfindet. Die Meldewege sollten leicht zugänglich sein. Mitarbeitende sollten vorab über die Einführung des Meldesystems informiert werden, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden wissen, wie sie Fehlverhalten vertraulich melden können. Es ist sicher zu stellen, dass die Personen, die mit den Meldungen umgehen, die nötige Fachkunde haben und geschult sind. Es ist insbesondere auf die Einhaltung der Fristen und der Erforderlichkeit zum Ergreifen von Folgemaßnahmen hinzuweisen. Es muss die Vertraulichkeit der Meldungen gewährleistet sein. Bei Verstößen gegen die Vertraulichkeit haften die Meldestellenverantwortlichen.

Existiert ein Betriebsrat ist regelmäßig ein längerer Vorlauf einzuplanen. Dem Betriebsrat stehen bei der Ausgestaltung der Hinweisgebersysteme Mitbestimmungsrechte zu. Es sind Betriebsvereinbarungen zu verhandeln und abzuschließen.

Es ist die unternehmerische Verantwortung des Arbeitgebers, Sorge dafür zu tragen, dass alle Mitarbeitenden sich an Recht und Gesetz halten. Ein Whistleblower sorgt für die rechtzeitige Information des Arbeitgebers oder der Behörde bei Fehlverhalten. Dieser Vorteil für den Arbeitgeber ist nicht zu unterschätzen.

Schließlich müssen Arbeitgeber einerseits den Schutz der Whistleblower vor Repressalien sicherstellen, andererseits aber auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der neuen Beweislastumkehr im Auge behalten. Ist die Identität des Whistleblowers bekannt, könnte womöglich bereits eine Nichtberücksichtigung bei einer anstehenden Beförderung, bei einer Versetzung oder die bloße Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages als „Repressalie“ gewertet werden, mit der Folge, dass der Arbeitgeber aufgrund der Beweislastumkehr beweisen muss, dass dies gerade keine Benachteiligung des Whistleblowers wegen der von ihm abgegebenen Meldung war.  

Katharina Meyer-Renkes, Rechtsanwältin und Mediatorin

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