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Manuel Gräfe und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - Altersgrenze von 47 Jahren diskriminiert Schiedsrichter im Profifußball

Auch, wenn es nur eine kleine Anzahl von Personen betrifft, stößt das Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 25. Januar 2023 (Az. 2 – 16 O 22/21) auf eine große mediale Öffentlichkeit. Danach wurde dem früheren DFB-Spitzenschiedsrichter Manuel Gräfe eine Entschädigung in Höhe von € 48.500,00 zugesprochen. Vorliegend geht es um die Frage einer möglichen Diskriminierung wegen des Alters und einer möglichen Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Spannende und regelmäßige Themen im Arbeitsrecht. Rechtsanwalt Michael Wald schaut sich die Entscheidung genauer an.

 

Was ist der Hintergrund des Falles?

Mit Ablauf der Bundesligasaison 2020/2021 war Manuel Gräfe aufgrund der bestehenden Altersgrenze des DFB aus dem Kreis der Schiedsrichter ausgeschieden. Während seiner Karriere hatte er nahezu 300 Bundesligaspiele geleitet und war auch bei internationalen Turnieren für den DFB eingesetzt.

Der DFB hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball („Ein-Platz-Prinzip“). In den Regularien des DFB ist eine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball nicht vorgesehen. Allerdings scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast 40 Jahren keine Ausnahme gemacht. Streitig war, ob dadurch gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen wird.

 

Zur Anwendbarkeit des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

Die vom DFB gesetzte Altersgrenze ist umstritten, da sie als Benachteiligung wegen des Alters (§ 1 AGG) betrachtet werden könnte, ohne dass hierfür eine anerkennungsfähige Rechtfertigung für die Gleichbehandlung vorliegt, welche das Gesetz in §§ 8, 10 AGG enthält. Dies wurde in der Vergangenheit bereits mit guten Gründen bezweifelt (vgl. hierzu Kranz/Pröpper „Rechtliche Wirksamkeit von Altersgrenzen für Schiedsrichter im deutschen Profifußball“, SpuRt 2021, 254). Das AGG hat das ausdrückliche Ziel, Benachteiligungen auch wegen des Alters zu verhindern. Schiedsrichter, die die Altersgrenze von 47 erreichen, dürfen ihre Tätigkeit allein aufgrund des Alters nicht mehr ausüben. Sie erfahren dadurch eine ungünstigere Behandlung als andere Schiedsrichter, die diese Altersgrenze noch nicht erreicht haben. Damit ist eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Alters gegeben. Der Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes ist damit grundsätzlich eröffnet. Das Landgericht hatte zu prüfen, ob die Altersgrenze von 47 Jahren nach § 8 AGG oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Der DFB hatte im Kern auch mit der Förderung von jüngeren und nachwachsenden Elite-Schiedsrichtern argumentiert. Nach Nr. 1 der Regelbeispiele des § 10 AGG kann die „Förderung der beruflichen Eingliederung“ ein legitimes Ziel sein.

 

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main

Die Argumentation des DFB hat das Landgericht nicht überzeugt. So hat es darauf hingewiesen, auch wenn in den Regelwerken des DFB keine Altersgrenze für Schiedsrichter schriftlich fixiert ist, bestehe diese aber tatsächlich. Wie sich auch aus der Vergangenheit zeige, würden Elite-Schiedsrichter ab dem 47. Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB habe die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet. Im Ergebnis sei dies willkürlich und entsprechend der Regeln des AGG nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. Das Landgericht hat ausgeführt: „Zwar hat das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steigt“. Das Landgericht stellt jedoch auch darauf ab, dass der DFB nicht dargelegt habe, „Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll“. So sei beispielsweise ein wissenschaftlicher Nachweis oder ein näher begründeter Erfahrungswert nicht dargelegt worden. Das Landgericht führt aus, dass adäquate Leistungstests vorzugswürdig seien, indem es formuliert „Es ist nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem Leistungskriterien orientierten, transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könne“.

Das Landgericht hat den DFB zu einer recht hohen Entschädigung in Höhe von € 48.500,00 verurteilt. Dabei wies das Landgericht hinsichtlich der Höhe auf den Sanktionscharakter des AGG hin und formulierte in seltener Deutlichkeit „Die Benachteiligung des Klägers wiegt grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst (…) und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgte“.

Zu erwartende Auswirkungen für die Praxis

Unsere Kollegen Dominik Kranz und Dr. Martin Pröpper hatten dieses Ergebnis bereits in dem oben genannten Beitrag prognostiziert und darauf hingewiesen, dass die vom DFB herangezogene Altersgrenze von 47 Jahren diskriminierend ist und im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand haben werde.

 Auch der DFB hat zwischenzeitlich offensichtlich die Unwirksamkeit dieser starren Altersgrenze erkannt. DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Fröhlich brachte kürzlich eine Aufweichung ins Gespräch mit der Maßgabe, dass die 47 Jahre zukünftig nur noch ein Orientierungspunkt sein sollen. Es bleibt abzuwarten, ob der DFB dies in der Praxis so auch umsetzen wird. Hintergrund ist, dass einen Tag vor dem Gerichtsurteil der frühere WM-Schiedsrichter Felix Brych angekündigt hatte, er wolle auch mit 48 Jahren über diesen Sommer hinaus in der Bundesliga Spiele pfeifen. Der DFB wird also Gelegenheit haben, seinen angekündigten Taten auch Folge zu leisten.

 

Michael Wald, Fachanwalt für Arbeitsrecht