Presseartikel Archiv Jahr 2003
Erlaubte Fragen
Berliner Morgenpost, 14.12.2003
von RA Dr. Heiko Peter Krenz
Im Vorstellungsgespräch werden Stellenbewerber häufig mit unbequemen Fragen konfrontiert. Für den Normalfall gilt: Werden Fragen falsch beantwortet, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten oder das Arbeitsverhältnis kündigen. Der ersehnte Arbeitsplatz ist dann weg. In besonderen Fällen sind dem Fragerecht des Arbeitgebers jedoch Grenzen gesetzt. Nur wenn die Frage zulässig ist, muss wahrheitsgemäß geantwortet werden. So hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Bewerberinnen um einen Arbeitsplatz nicht danach gefragt werden dürfen, ob sie schwanger sind. Deshalb darf jede Schwangere auf diese Frage ohne weiteres mit "nein" antworten. Es handelt sich um das sog. "Recht zur Lüge". Konsequenzen darf der getäuschte Arbeitgeber daraus nicht ziehen. Dasselbe gilt für die Frage nach einer Schwerbehinderung. Dabei wird angenommen, dass eine solche Frage ohne speziellen Bezug zum Arbeitsplatz eine rechtswidrige Diskriminierung darstellt. Anders dagegen die Rechtslage, wenn nach einschlägigen Vorstrafen gefragt wird. Ein Buchhalter darf beispielsweise nicht verschweigen, wenn er bereits wegen Unterschlagung oder Veruntreuung vorbestraft ist. Straftaten, die nichts mit der Arbeitstelle zu tun haben, müssen dagegen nicht offengelegt werden. Wichtig zu wissen ist auch: Die gern gestellte Frage nach Gehaltspfändungen ist nur bei Führungskräften oder besonderen Vertrauenspositionen zulässig. Generell untersagt sind Fragen des Arbeitgebers nach der Religionszugehörigkeit, der sexuellen Ausrichtung oder nach einer Parteimitgliedschaft. Fragen nach Erkrankungen sind nur im Ausnahmefall zulässig. Besteht Ansteckungsgefahr für Mitarbeiter oder Kunden muß immer die Wahrheit gesagt werden.
Urteile
Verbotene Fragen
Absolutes Beschäftigungsverbot (BAG, 2 AZR 621/01): Die Frage nach einer Schwangerschaft ist selbst dann unzulässig, wenn ein Beschäftigungsverbot besteht und die Schwangere deshalb gar nicht in der Lage ist, die Arbeitstätigkeit aufzunehmen.
Offensichtliche Schwerbehinderung (BAG, 2 AZR 380/99): Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen unrichtiger Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung ist ausgeschlossen, wenn die Schwerbehinderung (hier: angeborener Minderwuchs) deutlich erkennbar ist.
Frage nach der Gehaltshöhe (BAG, 2 AZR 171/81): Die Frage nach der Gehaltshöhe beim alten Arbeitgeber ist unzulässig, wenn die bisherige Vergütung für die neue Arbeitsstelle nicht aussagefähig ist und der Bewerber sie auch nicht als Mindestvergütung gefordert hat.
High-Noon für den Vorruhestand
Handelsblatt, 26.11.2003
Bundesregierung wird voraussichtlich am 3. Dezember 2003 das Renteneintrittsalter von 60 auf 63 anheben.
von Marcus Creutz mit RAin Antje Burmester
Bundesregierung wird voraussichtlich am 3. Dezember 2003 das Renteneintrittsalter von 60 auf 63 anheben.
GARMISCH. Arbeitnehmer, die aufgrund der bisherigen Rechtslage noch mit 60 Jahren in den Vorruhestand wechseln wollen, müssen sich beeilen. Der Grund: Am 3.12.2003 wird das Bun-deskabinett voraussichtlich die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme von Rente auf 63 Jahre anheben. Konnte ein 54-jähriger Arbeitnehmer bisher mit seinem Arbeitgeber nach dem Blockzeitmodell eine dreijährige Arbeits- und anschließend eine ebenso lange Freistel-lungsphase vereinbaren, um dann mit 60 in den Vorruhestand zu gehen, wird dies künftig erst ab 57 möglich sein ? dann allerdings bezogen auf ein Vorruhestandsalter von 63 Jahren. Und wer bei der anschließenden Verrentung keine Abstriche hinnehmen will, der denkt über die Altersteilzeit ohnehin erst mit 59 Jahren nach.
"Handlungsbedarf besteht für die Arbeitnehmer, die zwischen dem 01.01.1946 und dem 03.12.1948 geboren sind und den Wunsch haben, bereits mit Vollendung ihres 60. Lebensjah-res eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Altersteilzeit bzw. Arbeitslosig-keit in Anspruch zu nehmen", erläutert Fachanwältin Antje Burmester aus dem Kölner Büro der Kanzlei Ulrich Weber & Partner. Wie bisher ist dafür Voraussetzung, dass dem Rentenbe-zug eine Altersteilzeitbeschäftigung von mindestens zweijähriger Dauer vorausgegangen ist. Können sich diese Mitarbeiter nicht bis spätestens 03.12.2003 dazu entscheiden, eine Al-tersteilzeitvereinbarung abzuschließen, wird durch die Neuregelung die bisherige Altersgrenze von 60 Jahren für diese Rentenart in monatlichen Stufen um jeweils einen Monat bis auf das vollendete 63. Lebensjahr angehoben. Unverändert bleibt, dass die Altersrente nach Altersteil-zeit gegenüber der nach Vollendung des 65. Lebensjahres gewährten Regelaltersrente um 18 % gekürzt ist.
"Wir verzeichnen sowohl im individualrechtlichen als auch im kollektivrechtlichen Bereich durchaus ansteigenden Beratungsbedarf. Es sind mehrere Sozialpläne in der Pipeline, die den Effekt des Stichtags für das zuvor von vielen Arbeitnehmern vielleicht weniger geliebte Kind 'Altersteilzeit' nutzen", stellt Antje Burmester fest. Kein großes Beratungsvolumen hat dage-gen Rechtsanwalt Bernd Klemm aus dem Münchener Büro der Anwaltssozietät Lovells aus-gemacht ? jedenfalls bislang nicht. Klemm, bei Lovells bundesweit zuständig für den Bereich "Betriebliche Altersversorgung", will aber nicht ausschließen, dass es doch noch einen End-spurt gibt. "Bei all den sozialversicherungsrechtlichen Neuerungen hat es sich einfach noch nicht rumgesprochen, dass der Vertrauensschutz am 3.12.2003 ausläuft", vermutet Klemm.
Tricksereien könnte es aufgrund der neuen Stichtagsregelung im Zusammenhang mit den Ü-berbrückungszeiträumen geben. Doch Antje Burmester warnt aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit, insbesondere mit der ersten Anhebung der Altersgrenzen zum 14.2.1996: "Damals hat sich gezeigt, dass Lügen kurze Beine haben." Wer noch vor dem 3.12.2003 ein-zelne Mitarbeiter betriebsbedingt kündigt und sehr lange Auslauffristen vereinbart und damit dem Arbeitnehmer den Überbrückungszeitraum verkürzt, läuft Gefahr, gegen die Befristungs-regeln zu verstoßen. "Wer eine 2-jährige Kündigungsfrist vereinbart, schließt in Wahrheit ein befristetes Arbeitsverhältnis", stellt Bernd Klemm fest. "Dafür bedarf es jedenfalls eines sachli-chen Grundes. Das Auslaufen des Vertrauensschutzes wird den Arbeitsgerichten als Begrün-dung aber nicht reichen", prognostiziert Klemm.
Die große Flutwelle der Vorruheständler dürfte auch deshalb ausbleiben, weil es sich nur die besser verdienenden Arbeitnehmer leisten können, mit 18 Prozent Rentenabschlag in den letz-ten Lebensabschnitt zu gehen. "Leider hat es der Gesetzgeber bisher versäumt, die struktuellen Probleme der Altersteilzeit anzugehen", zeigt sich Thomas Hey, Partner und Leiter des Düssel-dorfer Arbeitsrechtsteams der Sozietät Clifford Chance Pünder, von der Gesetzesreform ent-täuscht. So sei nicht einzusehen, warum Arbeitnehmer, die in der Freistellungsphase erkranken, nach 6 Wochen erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen ? sie erhalten dann nämlich nur noch 70 Prozent vom Grundbetrag. "Dieses Problem hat der Gesetzgeber nicht gelöst, jedenfalls nicht außerhalb des Tarifrechts", kritisiert Hey. Außerdem sei der große Spareffekt bislang nicht erkennbar. "Die Rentenkassen sparen höchstens 1,8 Prozent," rechnet Hey vor. Denn wer nach der neuen Altersteilzeitregelung künftig erst später in Rente geht, hat auch we-niger Abschläge. Sinn machten die geplanten Änderungen bei den Altersrenten wegen Arbeits-losigkeit oder nach Altersteilzeit erst, wenn das Rentenbezugsalter auf 68 bis 70 Jahre angeho-ben würde. Die Wahrheit wird dem Bürger also vermutlich nach der Salami-Taktik und "durch die Brust ins Auge" präsentiert.
Frauen können dagegen, auch wenn sie keinen Vertrauensschutz nach der geplanten Neurege-lung genießen, nach wie vor mit 60 Jahren und einem maximalen Abschlag von 18 Prozent in die "Altersrente für Frauen" wechseln. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. "Können Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahres nicht mehr als 10 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung nachweisen, wird angesichts des Stichtages 3.12.2003 auch für sie die Frage nach einem Schnellschuss relevant", so Antje Burmester.
Hinter die Zeilen geschaut
Berliner Morgenpost,16.11.2003
von RA Dr. Heiko Peter Krenz
Jeder Arbeitnehmer kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seinem Chef ein Zeugnis verlangen. Dabei ist auf folgendes zu achten: Das Zeugnis muss auf dem Geschäftspapier der Firma erstellt werden und darf weder Schreibfehler, Flecken noch Knicke enthalten. Hochschultitel sind ebenso aufzuführen wie die bisherige Stellung im Unternehmen. Inhaltlich muß das Zeugnis wohlwollend sein und sich auf die erbrachte Leistung und das Verhalten im Betrieb beziehen.
Wichtig ist, die verschlüsselte Zeugnissprache der Personalleiter zu kennen. Häufig stellt sich nämlich bei genauerem Hinsehen heraus, dass das für die Karriere vermeintliche förderliche Zeugnis ein K.o.-Kriterium ist. Oftmals bedeutet Lob in Wahrheit versteckte Kritik. Vorsicht ist beispielsweise angebracht bei der Bewertung, "er war als umgänglicher Mitarbeiter bekannt." Damit ist gemeint: Niemand kam mit dem Kollegen zu recht. Wird im Zeugnis erwähnt, dass der Mitarbeiter stets pünktlich war, bedeutet das genau das Gegenteil, weil Selbstverständlichkeiten im Zeugnis nicht erwähnt werden müssen. Wird dagegen branchenüblich die Erwähnung bestimmter Eigenschaften erwartet, z.B. Ehrlichkeit bei Kassierern, müssen diese im Zeugnis auftauchen. Große Aussagekraft kommt auch dem Umstand zu, ob das Zeugnis eine abschließende Dank- und Wunschformel enthält. Bedankt sich der Arbeitgeber für die jahrelange Zusammenarbeit und wünscht dem Arbeitnehmer für seinen weiteren Lebensweg alles Gute, kommt zum Ausdruck, dass es sich um einen wertvollen Mitarbeiter handelt, auf den der Arbeitgeber nur ungern verzichtet. Wird mit dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt, empfiehlt es sich, eine Verpflichtung zur Aufnahme einer Abschlußformulierung und die gewünschte Zeugnisnote bereits im Aufhebungsvertrag zu regeln.
Urteile
Arbeitszeugnis
Ein Rechtsanspruch auf die Aufnahme einer Dank- und Abschiedsformulierung besteht nicht (BAG, 9 AZR 44/00; bejahend dagegen ArbG Berlin 88 Ca 604/03).
Der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nur auf Wunsch des Arbeitnehmers aufzunehmen (LAG Hamm, 13 Sa 833/85).
Die Mitgliedschaft im Betriebsrat gehört nicht in das Zeugnis (LAG Hamm, 9 Sa 29/76).
Der Arbeitgeber ist bei der Erstellung des Zeugnisses nicht an ein früheres Zwischenzeugnis gebunden (LAG Frankfurt, 13 Sa 250/91).
Management
Impulse, 1. November 2003
Kündigungsschutz
mit Dr. Knut Müller
Mit Neueinstellungen tut sich Wilhelm Klüssendorf schwer. Selbst wenn er mehr Aufträge hätte, würde er dies so lange wie möglich mit zusätzlichen Überstunden abfangen, lässt der Lübecker Klempnermeister wissen. Denn: "Werden die Zeiten schlechter, kann ich die neuen nicht ohne weiteres wieder entlassen."
Unternehmer wie Klüssendorf hatte Kanzler Schröder im Blick, als er mit seiner Agenda 2010 auch eine vorsichtige Lockerung des Kündigungsschutzgesetzes anpeilte. Tatsächlich erleichtert die Bundesregierung ab 1. Januar 2004 den Personalabbau bei Auftragsmangel oder Restrukturierung, ebenso die Voraussetzungen für befristete Arbeitsverträge.
Zudem sollen Kleinbetriebe Mitarbeiter zusätzlich einstellen dürfen, ohne damit sogleich in die Fesseln des Kündigungsschutzes zu geraten. Es lohnt also, die umstrittene Novelle näher zu inspizieren. "Das ist zwar nicht der viel zitierte Befreiungsschlag für den Arbeitsmarkt", sagt Arbeitsrechtsspezialist Knut Müller von der Kanzlei Weber + Partner , "doch gerade für kleine und mittlere Firmen steckt manche interessante Chance drin." Allerdings warnt er vor den Tücken der Agenda 2010: "Hier steckt der Teufel im Detail, vor allem die neuen Privilegien für kleine Betriebe haben es in sich."
Um Unternehmern den Umgang mit dem neuen Kündigungsrecht zu erleichtern, bietet impulse Rechtsrat in zwei Stufen. In den Kästen auf den folgenden Seiten finden Firmenchefs zunächst eine Analyse der wichtigsten Chancen und Fallen rund ums neue Kündigungsrecht. Ausführlichere Praktikertipps präsentiert die Redaktion gemeinsam mit Weber + Partner in insgesamt sechs Tagesseminaren in den Regionen Köln/Düsseldorf, Berlin sowie Stuttgart (siehe "Top-Termine für impulse-Leser").
Dass die deutschen Unternehmer ab sofort wie entfesselt einstellen, ist zwar nicht zu erwarten. So will nicht einmal jeder achte Chef die Agenda 2010 zum Anlass nehmen, neue Leute zu rekrutieren. Dies zeigt eine für impulse erhobene Creditreform-Umfrage unter rund 4100 Firmen mit maximal 500 Mitarbeitern. "Zu zaghaft und zu kompliziert", kritisiert auch Max Schön, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU), das neue Recht.
Manche Facette der Agenda 2010 ist indes aus Arbeitgebersicht als durchweg erfreulich zu bewerten ? und auch im Handling recht unproblematisch. Begrüßenswert zum Beispiel die Klarstellung, dass Klagen gegen eine Entlassung nunmehr ausnahmslos binnen drei Wochen zu erheben sind. Bislang gilt diese Frist nur dann, wenn der Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz pocht. Etwa mit dem Argument, statt seiner sei ein jüngerer Kollege zu entlassen, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien falsch oder er hätte erst einmal abgemahnt werden müssen.
Könnte die Entlassung aber an einem anderen Gesetz scheitern, gilt diese Frist nicht. Beruft sich also jemand etwa auf Mutterschutz oder Schwerbehinderung, kann dem Chef noch Jahre später eine Klage ins Haus flattern. Ähnliches gilt für das Argument, die Kündigung verstoße gegen allgemeine Rechtsmaßstäbe wie "Treu und Glauben" oder die "guten Sitten". Auch dort gilt jetzt ohne Wenn und Aber die Drei-Wochen-Frist. "Das verschafft dem Arbeitgeber schneller Rechtssicherheit!, sagt Anwalt Müller.
Außerdem profitieren Gründer von großzügigeren Regeln zu den befristeten Arbeitsverträgen. Zur Erinnerung: Jedes Unternehmen darf neue Mitarbeiter ohne besondere Begründung auf Zeit einstellen und diesen Vertrag bis zu dreimal verlängern. Maximale Gesamtdauer: drei Jahre. Unternehmen, die höchstens vier Jahre alt sind, dürfen ihre neuen Leute jetzt ein Jahr länger befristen, also insgesamt vier Jahre.
Fass ohne Boden
In anderer Hinsicht dürfen die befristeten Verträge den Unternehmern und Anwälten jedoch reichlich Kopfzerbrechen bereiten. Denn nach neuem Recht soll das Kündigungsschutzgesetz nur noch in Unternehmen mit mehr als fünf unbefristet eingestellten Beschäftigten gelten (bislang schlugen auch befristete Kräfte zu Buche).
Konsequenz: Wer nun in einem Unternehmen mit fünf unbefristeten und fünf auf Zeit eingestellten Arbeitnehmern gegen seine Kündigung klagt, kann dem Arbeitgeber das Leben noch schwerer machen. Und zwar in dem er die Legitimation der Befristung fremder Arbeitsverträge in Zweifel zieht. So könnte er zum Beispiel geltend machen, der vermeintliche Schwangerschafts- oder Urlaubsvertreter werde so oder so gebraucht. Oder ein angeblich auf zwei Jahre begrenztes Projekt laufe in Wahrheit endlos weiter.
Künftig müssen Arbeitsrichter in Kündigungsprozessen also auch Arbeitsverhältnisse unbeteiligter Dritter auf den Prüfstand stellen. Grund genug für die Chefs kleiner Betriebe, befristete Verträge künftig noch sorgfältiger vorzubereiten.
Top-Termine für impulse-Leser
Rechtsrat vom Profil: Wie Chefs die neuen Regeln für Kleinbetriebe und bei Personalabbau am besten nutzen.
"Wer die neuen Regeln zum Kündigungsschutz kreativ nutzt, erspart sich teure Prozesse", sagt Rechtsanwalt Knut Müller von der bundesweit tätigen Arbeitsrechtskanzlei Ulrich Weber + Partner. Welche Chancen sich Chefs jetzt bieten und welche neuen Fallen zu beachten sind, erfahren impulse-Leser exklusiv auf Tagesseminaren für Firmenchefs und Personalleiter.
Garant für hochkarätige Praktikertipps auf Basis der neuesten Gesetze und Urteile sind die Experten von Ulrich Weber + Partner. Zentrale These von Knut Müller, der sich auf die Beratung kleiner und mittlerer Unternehmen spezialisiert hat: "Wer seine Arbeitgeberrechte genau kennt, hat gute Chancen, selbst scheinbar unangreifbare Mitarbeiter loszuwerden."
Befristeter Vertrag war rechtswidrig
Ruhr Nachrichten, 24.09.2003
von RA Dr. Martin Pröpper
Wer einmal einen unbefristeten Arbeitsvertrag besaß, ausscheidet und dann wieder bei dem selben Betrieb oder einer Nachfolgefirma mit einem befristeten Zeitvertrag anfängt, bleibt Dauerbeschäftigter. Er verliert nicht durch reinen Zeitablauf des zweiten Vertrages seinen Job.
Darauf wies der Direktor des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen, Friedrich-Wilhem Heiringhoff, die Vertreter der Bottroper Firma Ecosoil hin. Und die ließen den Vergleich auch schnell und leise rechtskräftig werden. Denn bekannt werden sollte in der Firma der Prozessausgang vermutlich nicht. Denn sonst könnten sich ja auch noch andere Ausgeschiedene, die befristete Zeitverträge hatten, melden.
Profitieren wird von dieser weiterhin unbekannten Rechtslage ein 57-jähriger Schlosser aus Bottrop. Er hatte einen unbefristeten Vertrag bei der Centrans GmbH. Ende Mai 2000 schied er dort aus. Aus Centrans wurde im Zuge der Umstrukturierung im RAG-Konzern die Firma Ecosoil Logistik GmbH, ebenfalls mit Sitz am Gleiwitzer Platz 3. Von Ecosoil bekam der Schlosser im August 2002 einen neuen Arbeitsvertrag, befristet bis 31. Juli 2003.
Als dieses Datum verstrichen war, stand er ohne Job da. So sah es auch der Vertrag vor. Eine Kündigung sei nicht notwendig. Da irrte Ecosoil. Nach dem Vergleich hat der Kläger ab 1. August 2003 bei ihr wieder einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Das Gericht ließ keinen Zweifel daran, dass der Kläger siegen würde. "Wir hätten juristisches Neuland betreten", so Klägeranwalt Dr. Pröpper. Centrans und Ecosoil hätte das Gericht wegen der engen Verknüpfung als die selbe Firma bewertet. Und nach dem Teilzeitbeschäftigungsgesetz kann eine Firma einer dauerhaften keine befristete Beschäftigung folgen lassen. Es sei denn, sie hat einen sachlichen Grund, wie eine Vertretung bei Schwangerschaft oder ein bestimmtes Projekt.
Das lag bei Ecosoil eindeutig nicht vor. Der Prozess hätte Rechtsgeschichte machen können.
Gerichte helfen oft bei Kündigung
Berliner Morgenpost, 21.09.2003
von RA Dr. Heiko Peter Krenz
Fristlos entlassenen Arbeitnehmern droht nicht selten der soziale Absturz. In dieser Situation ist guter Rat teuer. Der Gang zum Arbeitsgericht kann sich als existenzerhaltend erweisen. Was vielen Arbeitnehmern hilft: Fristlose Kündigungen sind nur bei Beachtung strenger Kriterien wirksam. Lediglich schwerwiegende Verfehlungen des Arbeitnehmers berechtigen den Arbeitgeber zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hierzu gehören Diebstahl, das Beleidigen von Kollegen, Prügeleien, Spesenbetrug, Vortäuschen von Krankheit, wiederholte Arbeitsverweigerung, sexuelle Belästigung oder ausländerfeindliche Äußerungen. Die Arbeitsgerichte zeigen auch wenig Verständnis, wenn Arbeitnehmer Lebensmittel des Arbeitgebers mitgehen ließen. Auf den Wert des entwendeten Gegenstandes kam es nicht an. Das Argument war hier der unwiederbringliche Vertrauensverlust. Generell gilt, die Prozeß-Chancen sind besser, wenn der Mitarbeiter jahrelang beanstandungslos und ohne Abmahnung gearbeitet hat. Eine weitere Hürde für den Arbeitgeber: die Kündigung muß innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis des Vorfalls ausgesprochen werden. Oft wird die Frist nicht eingehalten.
Hier Entscheidung zum Thema
Beim Diebstahl von drei Kiwifrüchten (Wert: 1,50 Euro) kann der Arbeitgeber fristlos kündigen (BAG, 2 AZR 633/82).
Der Satz einer Verkäuferin zu einer Kundin, ihr "eins auf's Maul hauen" zu wollen, rechtfertigt die fristlose Kündigung oder Abmahnung (ArbG Nürnberg, 12 Ca 2365/00)
Das mehrfache Entwenden und Benutzen von Versandmaterial des Arbeitgebers mit geringem Wert (hier drei Briefumschläge im Wert von 0,01 Euro) rechtfertigt in der Regel nicht, den Arbeitnehmer ohne Abmahnung zu kündigen (LAG Köln, 5 Sa 872/99).
Arbeitsrecht: Erfolg bezahlen
Berliner Morgenpost, 03.08.2003
von Dr. Martin Pröpper
Vertriebsmitarbeiter, neudeutsch auch Account Manager, werden nach ihrem Erfolg bezahlt. Stimmen die Umsätze, ist eine Vergütung auf Provisionsbasis attraktiv. Was aber gilt, wenn die Firma schließt und daher ein Verdienstausfall eintritt? Dann kann sich das Vertriebsteam die Provision nicht mehr verdienen.
Mit dieser Frage hatte sich das Bundesarbeitsgericht (9 AZR 410/97) zu befassen. Letztlich ging es um eine Risikoabwägung im Hinblick auf den eingetretenen Verdienstausfall. Die Erfurter Richter stellten zunächst fest, dass "zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Provisionsvereinbarung grundsätzlich zulässig" ist. Es ist daher rechtens, nur nach Umsatz bezahlt zu werden. Allerdings muss immer die Chance bestehen, überhaupt etwas verkaufen zu können.
Da im Streitfall der "Arbeitgeber die Fertigung eingestellt" hatte und damit "dem Arbeitnehmer die Gelegenheit nimmt, überhaupt Provisionen zu erwirtschaften", bleibt der Provisionsanspruch bestehen. Die Höhe des Verdienstausfalles wegen "Unmöglichkeit der Vermittlung von Geschäften" muss dann der "Tatrichter" nötigenfalls schätzen, ordnete das oberste deutsche Arbeitsgericht an. Damit die Schätzung gerecht bleibt, muss sich das Gericht an dem Durchschnitt der Provisionen aus der Vergangenheit orientieren.
Karten auf den Tisch!
Financial Times Deutschland,17.06.2003
von Claudia Kothe-Heggemann
Nicht zuletzt die jüngste Hauptversammlung der Deutschen Bank hat es wieder gezeigt, dass Öffentlichkeit und Aktionäre die Vorstandsgehälter immer stärker unter die Lupe nehmen. Unterstützt werden sie dabei von der regierungsnahen Cromme-Kommission. Ihren Empfehlungen zufolge sollen Vorstandsbezüge individuell offen gelegt werden.
Auch die Bundesjustizministerin stimmt zu und setzt statt auf gesetzliche Regulierung auf die Selbstkontrolle der Wirtschaft und die Empfehlungen des Corporate Governance Kodex, von denen nur mit ausdrücklicher Begründung abgewichen werden kann.
Die Bestrebungen, für mehr Transparenz bei den Vorstandsgehälter zu sorgen, sind nicht neu: Das Aktiengesetz selbst gibt die Verpflichtung des Aufsichtsrats vor, bei der Festlegung der Vorstandsvergütung ein angemessenes Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft zu wahren. Insbesondere für Aktienoptionspläne stellt der Corporate Governance Kodex die Pflicht zur Angemessenheit heraus.
Das heißt jedoch nicht, dass unangemessene Vergütungen automatisch unwirksam wären ? es sei denn, sie wären sittenwidrig. Stimmt der Aufsichtrat allerdings unangemessenen Bezügen zu, verstößt er damit gegen die ihm obliegende Verpflichtung, die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Dafür kann er sogar persönlich gegenüber der Gesellschaft haftbar gemacht werden.
Um diese Vorgaben des Aktienrechts auch im Interesse der Aktionäre umsetzen zu können, bedarf es allerdings der von dem Corporate Governance Kodex zunehmend herausgestellten Transparenz. Dabei hat das Bedürfnis, die Vorstandsbezüge transparenter zu gestalten, letztlich zwei Zielrichtungen. Zum einen liegt bei der Frage der Angemessenheit immer auch der Maßstab bei vergleichbaren Unternehmen ? im Inland wie im Ausland. Dieser Vergleich wird vereinfacht durch eine transparente Marktstruktur. Zum anderen dient die Transparenz dazu, Vereinbarungen über Vorstandsgehälter zu Lasten der Gesellschaft und damit der Aktionäre zu vermeiden.
Der Aufsichtsrat hat überdies auch während der Dauer des Vorstandsamtes über die Angemessenheit der Managerbezüge zu wachen. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erheblich; ist der Aufsichtsrat berechtigt, die Vergütung der Vorstände herabzusetzen. Auch der Verzicht auf eine derartige Herabsetzung kann im Einzelfall die Haftung des Aufsichtrats nach sich ziehen. Die Aktionäre haben also ein ureigenes Interesse daran, über die jeweilige Vorstandsvergütung informiert zu werden.
Eine absolute Obergrenze für die Vorstandsbezüge wurde jedoch zu Recht nicht in den Kodex aufgenommen. Zwar soll der Aufsichtsrat für eine außergewöhnliche, nicht vorhergesehene Entwicklung eine Begrenzung der Aktienoptionen ("cap") vereinbaren, doch kann von dieser Empfehlung abgewichen werden, da sogar Paragraf 87 Aktiengesetz vorsieht, die Vergütung des Vorstands an seine unternehmerischen Erfolge zu knüpfen.
Denn letztlich ist nicht die "Vermittelbarkeit der Vorstandsvergütung" entscheidend, sondern die erfolgreiche Performance eines Unternehmens. Sie kommt auch Aktionären und Arbeitnehmern gleichermaßen zugute.
Verdeckte Überwachung
Berliner Morgenpost, 15.06.2003
von Dr. Martin Pröpper
Auch eine verdeckte Videoüberwachung ist ein "taugliches Beweismittel", wie das Bundesarbeitsgericht nun in einem Kündigungsschutzprozess (2 AZR 51/02) entschieden hat. Die Klägerin war in einem Getränkemarkt tätig. Weil die Ursache steigender Inventurdifferenzen nicht gefunden wurde, installierte die Firma verdeckte Videokameras im Kassenbereich. Aus den Videoaufnahmen bekam der Chef den dringenden Verdacht, die Klägerin habe Gelder unterschlagen und kündigte ihr fristlos. Die Klägerin machte geltend, die heimlichen Videoaufnahmen dürften nicht als Beweismittel verwendet werden. Ihr Argument: Weder sie noch der Betriebsrat wussten von der Installation der Kameras. Das Bundesarbeitsgericht gab jedoch dem Arbeitgeber Recht. Zwar stellt die heimliche Überwachung "einen Eingriff in das geschützte Persönlichkeitsrecht" dar. Doch ein solches Beweismittel darf vor Gericht berücksichtigt werden, wenn "besondere Umstände" den Eingriff rechtfertigen. Hier ging es um strafbare Handlungen, so dass mit Videokameras verdeckt überwacht werden durfte, erklärten die Richter. Auch habe der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Installation. Doch führe dies nicht zu einem "Verwertungsverbot", stellte das Gericht fest. Überzeugende Begründung der Richter hierzu: Der Betriebsrat hatte der fristlosen Kündigung sogar zugestimmt.
Deutschland´s Chefsessel mutieren zum Schleudersitz
Welt,14.06.2003
Interview mit Antje Burmester, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Rechtsanwälte Ulrich Weber & Partner GbR, von Marcus Creutz
Die Kündigungswelle in deutschen Unternehmen trifft mittlerweile nicht mehr nur die "normalen" Arbeitnehmer. Der Rotstift wird jetzt auch bis hinein in die erste Führungsriege angesetzt. Und da zeigen sich die Gesellschaften nicht zimperlich. Sie mäkeln an den Reisekostenabrechnungen von Vorständen und Geschäftsführern herum oder schalten Privatdetektive ein, um ihnen eine persönliche Verfehlung anzuhängen. Doch dem bisweilen ausufernden "Hire and Fire" nach amerikanischem Vorbild erteilen die Gerichte hier zu Lande eine Abfuhr.
Vorstands- und Geschäftsführerposten entwickeln sich wieder zu echten Schleudersitzen. Der Grund: Die Unternehmen pochen vermehrt auf Einhaltung der alten Tugenden wie Leistung und Anstand. Und wer in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht mitzieht, der muss mit ansehen, wie über seinen Kopf hinweg Belastungsmaterial gesammelt wird. Ob durch die konzerneigene Revisionsgesellschaft oder externe Privatdetektive ? kaum eine Spesenabrechnung bleibt in deutschen Unternehmen noch ungeprüft. Gesucht wird etwa nach Reisekosten-Abrechnungen des Geschäftsführers für Urlaubs- und Privatfahrten mit dem Dienst-Pkw. Oder auch nach privaten Bewirtungskosten, die anschließend einfach in dienstliche Aufwendungen umdeklariert wurden. Rechtsanwältin Antje Burmester aus dem Kölner Büro der Kanzlei Ulrich Weber und Partner kennt noch weitere Tricks, um unliebsames Führungspersonal schnell los zu werden: "Ganz oft werden auch die Festplatten gefilzt. Dabei wird kontrolliert, in welchem Umfang Geschäftsführer eventuell private Dinge auf dem Arbeitsspeicher abgespeichert haben." Und da ist man in sehr vielen Fällen wohl auch fündig geworden, bestätigt Burmester und fügt an: "Ganz massiv ist auch die Überprüfung persönlicher Bereicherungstatbestände, also Fälle persönlicher Vorteilsnahme."
Natürlich ist es richtig, einen Geschäftsführer fristlos vor die Tür zu setzen, wenn der sich für eine bestimmte Auftragsvergabe schmieren lässt oder er selbst Beamte besticht. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass die Gesellschaften ihr Führungspersonal mitunter schon beim geringsten Anlass feuern. Dass das nicht richtig sein kann, hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich klargestellt (Az.: II ZR 353/00). In dem Fall wurde dem Geschäftsführer nur deshalb fristlos gekündigt, weil er seine Frau mit zu einem Geschäftsessen eingeladen hatte. Die Rechnung ließ er sich später von der Gesellschaft erstatten. Darin sah das Unternehmen einen nicht mehr zu kittenden Vertrauensbruch und schmiss den Geschäftsführer kurzerhand raus. Die Bundesrichter meinten dagegen, es sei schon aus rein atmosphärischen Gründen angemessen, dass der Geschäftsführer bei bestimmten offiziellen Anlässen von seiner Partnerin begleitet wird. Daraus einen Untreueverdacht zu konstruieren, gehe zu weit.
Doch grundsätzlich gibt es für Geschäftsführer und Vorstände keinen Kündigungsschutz, wie etwa bei Arbeitnehmern. "Die Rechtsprechung macht es den Gesellschaften auch relativ leicht. Der BGH hat in zwei jüngeren Entscheidungen klar gesagt: Abmahnung ist ein Institut, was nicht dem Dienstvertrag zuzuordnen ist. Das heißt: Sie brauchen für eine Geschäftsführerkündigung keine vorherige Abmahnung," beschreibt Rechtsanwältin Antje Burmester die Rechtslage.
Zu "Freiwild" werden deutsche Führungskräfte damit aber auch noch lange nicht. So hat das Oberlandesgericht Köln in einer neuen Entscheidung die fristlose Kündigung eines Vorstands für unwirksam erklärt, weil die Gesellschaft "teilweise mit geradezu detektivischen Mitteln" versucht hatte, dem Vorstand einen Abrechnungsbetrug nachzuweisen, um sich unter allen Umständen von ihm zu trennen (Az.: 19 U 38/02). Allein diese unfaire Ermittlungsmethode rechtfertige es, die fristlose Kündigung im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung als unverhältnismäßig anzusehen. Meistens kommt die Kündigung aber nicht aus heiterem Himmel. Oft werde schon vorher außergerichtlich verhandelt, bestätigt Antje Burmester: "Dann werden die Verfehlungen auf den Tisch gelegt und mögliche Schadensersatzansprüche angedeutet ? beziffert werden sie meistens nicht, aber es wird gesagt: Der Auftrag ist schief gegangen, da sind Sie dran schuld und da hängen 3 Mio. Euro dran."
Wehrt sich der Geschäftsführer gegen die fristlose Kündigung mit einer Klage, erweist sich das nicht selten als Bumerang. Der Grund: Die Gesellschaften kontern mit Schadensersatzforderungen in oft zweistelliger Millionenhöhe. Das treibt die Kosten des Rechtsstreits schnell in astronomische Höhen. Kann der gekündigte Geschäftsführer das Geld für Anwalts- und Gerichtskosten nicht vorschießen, gibt er schnell klein bei. Doch auch sonst lohnt ein Rechtsstreit kaum. Denn bis die Gerichte rechtskräftig entschieden haben, vergehen in derartigen Verfahren schnell zwei, drei Jahre. Und das bei völlig ungewissem Ausgang. Auch üppige Abfindungszahlungen, von Ausnahmen wie im Fall Ron Sommer oder Klaus Esser einmal abgesehen, gehören angesichts der branchenübergreifenden Konjunkturflaute wohl der Vergangenheit an. Zumal Abfindungen wegen der Aufhebung des hälftigen Steuersatzes nicht mehr als attraktiv gelten.
Sitzen Geschäftsführer heutzutage auf einem Schleudersitz?
Burmester: Zumindest wird heute von Seiten der Gesellschafter konkret nachgefragt, ob der Geschäftsführer seine Zeit wirklich mit Arbeit verbringt. Da werden auch schon einmal angebliche Dienstreisen rekapituliert. Konjunkturbedingte Ausreden lassen sich Gesellschafter nicht mehr bieten. Sie schauen ganz konkret auf die Leistung der betreffenden Person.
?und auf Managementfehler?
Burmester: Ja, klar. Die werden offen zur Sprache gebracht. Meist ist dann die Entscheidung schon gefallen, sich von dem betreffenden Mitarbeiter zu trennen. Während der Abfindungsverhandlungen werden auch bereits mögliche Schadensersatzforderungen der Gesellschaft angedeutet, um die Forderungen des Geschäftsführers möglichst auf kleiner Flamme zu halten. Kommt man innerhalb der 14-Tages-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB zu keinem Ergebnis, ist die Hemmschwelle, den Streit öffentlich auszutragen, sowohl auf Manager- wie auch auf Gesellschafterseite im Unterschied zu früheren Zeiten deutlich abgesenkt
Was sollten Geschäftsführer beim Vertragsabschluss unbedingt beachten?
Burmester: Vor allem sollten sie die tatsächliche Wertigkeit des Vertrages prüfen. So kann sich etwa ein 5-Jahresvertrag schnell als Mogelpackung erweisen, wenn der Bestand des Anstellungsverhältnisses an die weitere Ausübung des Amtes gekoppelt ist. Denn die Abberufung vom Amt eines Geschäftsführers kann theoretisch nach drei Tagen erfolgen.
Sollte sich der Geschäftsführer für den Fall eines Gesellschafterwechsels von vorneherein ein Sonderkündigungsrecht mit einer Abfindungsklausel garantieren lassen?
Burmester: Das ist natürlich ein Hauptgewinn in der Vertragsgestaltung, lässt sich aber vor allem in anfälligen Branchen nicht immer durchsetzen. Aber grundsätzlich ist das sinnvoll ? vor allem für den Fall eines "change of control" durch ausländische Unternehmen. Da herrscht dann plötzlich ein ganz anderer Wind im Unternehmen. Und wer den Leistungsvorgaben nicht gerecht wird, muss mit einer verhaltens- bzw. leistungsbedingten Kündigung rechnen. Im Übrigen machen Restrukturierungsmaßnahmen auch nicht mehr vor den Führungsetagen halt.
Der größte Ratgeber aller Zeiten
Bild, 24.05.2003
Arbeitslos? Die größte Ratgeber-Aktion aller Zeiten.
Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung? In welcher Branche gibt es noch Jobs? Wie komme ich im Arbeitsamt zu meinem Recht? 53 Top-Experten ? u.a. ver.di-Chef Frank Bsirske und Handwerkspräsident ? sowie viele Experten aus Ministerien, Kammern und Verbänden halfen den Bild-Lesern mit klugen Ratschlägen. BILD dokumentiert die interessantesten Fragen zum Thema Arbeitslosigkeit.
Frage: Seit zehn Jahren arbeitet meine Frau als Arzthelferin. In der Praxis sind unter fünf Personen beschäftigt. Jetzt wurde sie entlassen. Hat sie trotzdem Kündigungsschutz?
Antwort: Dr. Martin Heither, Rechtsanwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner GbR, Berlin: "Nein. Grundsätzlich besteht bei Unternehmen mit fünf oder weniger Arbeitnehmern kein Kündigungsschutz."
Frage: Meine Firma soll verkauft werden. Muss ich Angst um meinen Arbeitsplatz haben?
Antwort: Peter Rölz, Rechtsanwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner GbR, Frankfurt: "Wird der Betrieb fortgeführt, bleibt das Arbeitsverhältnis beim neuen Arbeitgeber zu den alten Konditionen bestehen. Eine Kündigung wäre unwirksam. Nimmt der Arbeitnehmer den Job nicht an, droht der Verlust des Arbeitslosengeldes."
Frage: Ich bekomme für einen Nebenjob 165 Euro im Monat. Jetzt hat mein Arbeitgeber das Gehalt wegen erhöhter Betriebskosten auf 140 Euro gekürzt. Darf er das?
Antwort: Silke Ruttkamp, Rechtsanwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner GbR, Köln: "Nein. Das ist ein unzulässige Teilkündigung. Will der Arbeitgeber das Gehalt kürzen, muss er eine betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen, aber das ist nicht leicht."
Vorsicht zahlt sich aus
Financial Times Deutschland,13.05.2003
von Claudia Kothe-Heggemann
Sperrzeit beim Arbeitsamt, steuerliche Nachteile, bisweilen sogar Verlust von Rentenanwartschaften ? ein Aufhebungsvertrag kann für den Arbeitnehmer weitreichende Folgen haben. Ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber darüber aufklären muss, diese Fragen beschäftigen oft die Gerichte.
Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Arbeitnehmers, sich über die möglichen Folgen zu informieren. Allerdings kann bei einer Aufhebung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des Arbeitgebers in Ausnahmefällen eine Aufklärungspflicht gegeben sein ? wenn der Arbeitnehmer beispielsweise erkennbar schlecht informiert ist oder der Aufhebungsvertrag für ihn besonders ungünstig ist. Um etwaigen Regressforderungen vorzubeugen, weist der Arbeitgeber am besten schriftlich darauf hin, dass nur die zuständigen Behörden über die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Aufhebungsvereinbarung aufklären können. Der Arbeitnehmer ist deshalb gut beraten, sich im Vorfeld einer Aufhebungsvereinbarung sachkundigen Rat einzuholen.
Auf Grund jüngster Gesetzesänderungen ist die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers jedoch erweitert worden: Bei Ausspruch einer Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages müssen sich Arbeitnehmer jetzt unverzüglich arbeitssuchend melden. Anderenfalls riskieren sie, dass ihnen das Arbeitslosengeld gekürzt wird. Über diese Verpflichtung soll der Arbeitgeber den Arbeitnehmer informieren. So will es das Gesetz. Es sieht jedoch keine ausdrücklichen Sanktionen für die Verletzung dieser Obliegenheit vor; auch macht sich der Arbeitgeber nicht schadensersatzpflichtig. Um allerdings von vornherein zu vermeiden, dass findige Arbeitnehmer, die ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind, die Minderung des Arbeitslosengeldes auf ihren früheren Arbeitgeber abzuwälzen, sollte eine Hinweis auf die Meldepflicht standardmäßig in jedem Aufhebungsvertrag stehen.
Schließlich hat auch die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches, eher unverhofft, Auswirkungen auf den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Das früher für Haustürgeschäfte vorbehaltene gesetzliche Widerrufsrecht, das nunmehr in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert wurde, gewährt Verbrauchern, die an ihrem Arbeitsplatz einen entgeltlichen Vertrag abschließen müssen, ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Wird der Verbraucher über das Widerrufsrecht nicht belehrt, endet dieses erst sechs Monate nach Vertragsabschluss.
Bei wörtlicher Auslegung des Gesetzes lässt sich der Arbeitnehmer als Verbraucher und der Aufhebungsvertrag als entgeltliche Vereinbarung einordnen. Erste Entscheidungen der Arbeitsgerichte, etwa des Landesarbeitsgerichtes Brandenburg, verneinen solche Parallelen unter Hinweis auf die gesetzliche Systematik. In Situationen, in denen der Arbeitnehmer ohne jede Vorbereitung mit dem Aufhebungsvertrag konfrontiert wurde, besteht allerdings weiterhin die Gefahr, dass die Gerichte künftig ein Widerrufsrecht der Arbeitnehmer annehmen. Für den Arbeitgeber würde sich damit die Rechtssicherheit deutlich reduzieren.
Bis das Bundesarbeitsgericht in dieser Frage entscheidet, gilt in kritischen Fällen: Vorsicht ist besser als Nachsicht und Belehrung besser als beinahe unbegrenzter Widerruf.
Diskriminierte Männer
Berliner Morgenpost, 04.05.2003
von Dr. Martin Pröpper
Nicht nur Frauen können sich erfolgreich gegen Diskriminierung wenden, wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt. Erstmals erhält nun ein Witwer wegen Diskriminierung beträchtliche Nachzahlungen. Die verstorbene Ehefrau des Klägers war langjährig berufstätig gewesen. Die Firma hatte ihr zusätzliche Versorgungsleistungen über eine Pensionskasse versprochen. Nach der Satzung der Pensionskasse war auch eine "Witwenpension" zu gewähren. Eine "Witwerpension" sollte hingegen nur dann gezahlt werden, "wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat", wie es in der Regelung hieß. Die Pensionskasse hatte deshalb die Zahlung abgelehnt, weil die Verstorbene nicht die Haupternährerin der Familie gewesen sei. Der Witwer hielt dies für diskriminierend und klagte nach dem Tod seiner Frau eine ungekürzte "Witwerpension" mit Erfolg ein. Denn die die einschränkende Bestimmung für den Anspruch auf "Witwerversorgung" ist diskriminierend und daher "unanwendbar", urteilte das BAG (3 AZR 631/97). Der Anspruch auf "Witwerrente" besteht jetzt unabhängig davon, ob die verstorbene Ehefrau des Klägers den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat.
Dünne Luft
Berliner Morgenpost, 06.04.2003
von Dr. Martin Pröpper
Wer macht nicht gerne Karriere im Unternehmen und ist stolz auf die erreichte Position. Der berufliche Erfolg kann aber gefährlich sein, wie ein aktuelles Urteil des Kündigungssenates des Bundesarbeitsgerichtes belegt (2 AZR 598/01). Das Urteil betraf den Abbau einer "Hierarchieebene" in der Firma. Gekündigt war der "Leiter der Planungsabteilung". Entscheidet sich der Chef, eine solche "Hierarchieebene" zu streichen, kann es den Job kosten.
Besonders gefährdet ist nämlich, wer dem Chef am nächsten stand. Die Begründung heißt in diesem Fall: Die Aufgaben wird der Chef zukünftig selbst übernehmen. Dann schützt auch die Sozialauswahl nur begrenzt, weil sie auf die "Hierarchieebene" beschränkt ist und die wird gerade gestrichen. Die Verteidigungsstrategie im Kündigungsprozess muss sich dann gegen die Neuverteilung der Aufgaben richten. Denn die Firma muss nachweisen, so die Richter in dem Urteil, dass die Aufgaben "vom verbliebenen Personal" überhaupt zeitlich "erledigt werden können".
Fallen vermeiden
Focus Money,16/2003, Dienstag, 1. April 2003
Personalabbau ist manchmal unumgänglich. Doch wer seine Rechte kennt, kann Ansprüche sichern und Nachteile abfedern.
Es ist noch gar nicht lange her, da zahlten Firmen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn sie erfolgreich einen neuen Kollegen vermittelten. Heute bietet etwa der Maschinenbauer Heideberger Druck seinen Beschäftigten eine Prämie von tausend Euro, wenn sie sich freiwillig einen Vollzeitjob mit einem Kollegen teilen.
Andere Unternehmen greifen zu schmerzhafteren Mitteln, um in Zeiten flauer Konjunktur die Personalkosten zu drücken. Tourismuskonzern TUI will bis Jahresende 2000 Stellen abbauen, beim Nutzungsfahrzeughersteller MAN müssen tausend Arbeitnehmer gehen, bei den Banken sollen Zigtausende Beschäftigte ihren Job verlieren, und Coca-Cola will sich von 900 Mitarbeitern seiner deutschen Tochter trennen. Auch Unternehmensberater, die das Wort Personalabbau früher allenfalls als Rat an ihre Klienten kannten, sind inzwischen betroffen: So hat KPMG angekündigt, Hunderte von Mitarbeitern freizusetzen.
Seit sogar die Zahl der arbeitslosen Akademiker steigt ? 2002 suchten 19 Prozent mehr Bewerber mit Universitätsabschluss eine Stelle als noch ein Jahr zuvor ?, ist die Angst um den Job fast in jeder Branche Thema. Umso wichtiger ist es für Angestellte, ihre Rechte genau zu kennen. Denn der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet nicht das berufliche Ende. In vielen Fällen können Betroffene günstige Konditionen aushandeln und die Suche nach einem neuen Job mit einem finanziellen Polster beginnen. Auch empfindliche Einbußen bei Arbeitsamt, Sozialversicherung und Fiskus lassen sich vermeiden.
Fehlende Konzepte. Die Politik trägt derzeit viel zur Verunsicherung in Büros und Firmenhallen bei. Weil es an einem schlüssigen Konzept für notwendige Reformen und die unabwendbaren Einschnitte in soziale Netz fehlt, drohen die Bundesbürger durch nahezu tägliche veröffentlichte Vorschläge und Gegenvorschläge die Orientierung zu verlieren.
Beispiel Kündigungsschutz: Die Folgen der am Dienstag von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement angekündigten Plänen dürften bei weitem nicht so dramatisch ausfallen, wie von Zwickel, Sommer und Co. ursprünglich befürchtet. Sollte der Arbeitnehmer künftig bei betriebsbedingten Kündigungen einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bekommen, wenn er auf eine Klage verzichtet, würde sich in der Praxis wenig ändern. Der Streit um den Job wird regelmäßig mit einer Abfindung beendet, entweder nach außergerichtlichen Verhandlungen oder durch einen Vergleichsvorschlag vor den Arbeitsgerichten (s. S. 82). "Reformvorschläge würden im Wesentlichen festschreiben, was heute schon üblich ist", bestätigt Knut Müller von der Kanzlei Weber und Partner.
Status quo. Auch beim Arbeitslosengeld klingt Kritik an Reformvorschlägen manchmal nach Panikmache. Als Kanzler Schröder Mitte März vor dem Bundestag ankündigte, die staatliche Stütze werde künftig maximal zwölf Monate lang gezahlt, brach im Gewerkschaftslager ein Sturm der Entrüstung los. Doch Wirtschaftsminister Clement versicherte jetzt, für all diejenigen, die heute schon einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben, würden die günstigeren jetzigen Regelungen bis mindestens Ende 2005 weitergelten. Viele Betroffene könnten also noch mit den derzeit geltenden Vorschriften (s. S. 87) rechnen.
Fehler umgehen. Viel schädlicher sind für Betroffene oft übereilte Aktionen, denn schon heute ermöglichen die Gesetze den Behörden empfindliche Einschnitte bei den Leistungen. So verhängen die Arbeitsämter inzwischen deutlich häufiger eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld als früher, wenn der Betroffene einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat. Begründung: Er habe mit dem Vertrag dem Wegfall seines Arbeitsplatzes zugestimmt.
"Solche Fehler lassen sich vermeiden, wenn der Arbeitnehmer besonnen reagiert und kompetenten Rat nutzt" weiß Anwalt Müller. Das gilt nicht nur bei Kündigungen, sondern auch, wenn ein Unternehmen insolviert wird oder einen neuen Eigentümer bekommt (s. S. 86). Sogar wenn eine Firma ihre Mitarbeiter nicht freisetzt, sondern mit Alternativen wie Job-Sharing oder einem Sabbatical die Trennung vermeiden will, lauern Fallen (s. S. 84) etwa bei Rente und Krankenversicherung. Und wer diese Risiken vermeiden kann, findet Job-Sharing vielleicht sogar ohne Prämie attraktiv.
Brisante Reform
Berliner Morgenpost, 02.03.2003
von Dr. Martin Pröpper
Ein Reformprojekt sorgt zur Zeit für Zündstoff. Die Zielsetzung der brisanten Überlegung lautet: Vertragliche Abfindung statt Kündigungsschutz. Wird das Vorhaben umgesetzt, soll in Arbeitsverträge künftig eine Abfindungsklausel eingebaut werden können. Danach wird eine Abfindung schon vorab vertraglich festgelegt, die dem Arbeitnehmer im Kündigungsfall von der Firma garantiert ist. Im Gegenzug verzichtet der Mitarbeiter bereits im Voraus auf seinen Kündigungsschutz, also auf den Gang zum Arbeitsgericht. Wer würde von einer solchen Regelung letztlich profitieren? Der Vorteil für den Chef ist klar: Das Prozessrisiko der "Kündigungsschutzklage" wird ausgeschaltet, sogar eigentlich "sozialwidrige" Kündigungen werden plötzlich für die Firma problemlos durchsetzbar. Aus Blickwinkel des Arbeitnehmers überwiegen hingegen die Nachteile. Der Arbeitsplatz wurde im Voraus "abgekauft", die schützende Überprüfung der Kündigung durch die Arbeitsrichter scheidet aus. Zudem ergeben sich Folgeprobleme. Abfindungen werden steuerlich nur dann mit den Freibeträgen anerkannt, wenn sie nicht schon im Voraus vereinbart worden sind. Außerdem droht eine Sperrzeit durch das Arbeitsamt bei Arbeitslosigkeit, da an der Beendigung des Jobs "mitgewirkt" wurde.
Genau prüfen
Berliner Morgenpost, 02.02.2003
von Dr. Martin Pröpper
Befristete Arbeitsverträge sind in der heutigen Arbeitswelt an der Tagesordnung. Gleich ob zur Krankheitsvertretung, zur Projektarbeit oder wegen Personalengpässen. Beschäftigung findet oft nur, wer Zweckbefristungen akzeptiert. Wer würde daher nicht sofort zusagen, wenn die Firma eine erneute Verlängerung der befristeten Beschäftigung anbietet? Ist die Verlängerung unterschrieben, kann jedoch viel verloren sein. Zwar ist dann die Fortbeschäftigung für die vereinbarte Zeit gesichert, doch die Chance auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag verschenkt. Daher darf eine Anschlussbefristung nur unter Vorbehalt angenommen werden, will man später eine Entfristung des Arbeitsvertrages erfolgreich geltend machen, wie das Bundesarbeitsgericht aktuell betont hat (7 AZR 205/01). Denn durch den "einschränkungslosen Abschluss" einer Folgebefristung wird das Arbeitsverhältnis auf eine "neue Grundlage" gestellt, die "künftig allein maßgeblich ist", begründeten die Erfurter Richter. Daher ist es gefährlich, den Folgevertrag vorschnell anzunehmen, auch wenn dies zunächst attraktiv erscheint. Denn gerade bei "Kettenbefristungen", also immer wieder verlängerten Verträgen, sind die Chancen, erfolgreich eine Dauerbeschäftigung geltend zu machen, durchaus hoch einzuschätzen. Für jede Zweckbefristung braucht die Firma einen "sachlichen Grund", sonst muss sie unbefristete Beschäftigung anbieten. Viele befristete Jobs stellen sich mangels Sachgrund daher in Wahrheit als Dauerjob mit Kündigungsschutz heraus, werden sie nur genau überprüft. Ganz wichtig dabei: eine Frist der Arbeitsgerichte im Auge zu behalten: Nur wer innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht Klage einreicht, kann die Entfristung durchsetzen, andernfalls wehrt man sich zu spät.
Aufhebungsverträge
Berliner Morgenpost, 05.01.2003
von Dr. Martin Pröpper
Selbst gewiefte Personalleiter gestehen ihr augenblickliches Dilemma beim Abschluss von Aufhebungsverträgen offen ein. Denn niemand kann gegenwärtig verbindlich sagen, ob Aufhebungsverträge mit der Firma neuerdings durch den Mitarbeiter einseitig widerrufen werden können. Grund dieser Unsicherheit ist eine aktuelle Gesetzesänderung, deren Geltung für das Arbeitsrecht bislang ungeklärt ist. Bei «Verbraucherverträgen» besteht jetzt immer ein einseitiges Widerrufsrecht. Da das neue Gesetz ungenau formuliert ist, bleibt unklar, ob dieses Widerrufsrecht auch für Aufhebungsverträge mit der Firma gelten soll. Streng genommen müsste der Chef dann sogar ausdrücklich auf die Widerrufsmöglichkeit hinweisen. Denn das Widerrufsrecht bedeutet umfassenden Schutz: Der Vertrag kann gefahrlos unterschrieben werden, da man ihn später innerhalb einer bestimmten Frist widerrufen kann. Da die Widerrufsfrist mindestens zwei Wochen, maximal sogar sechs Monate beträgt, hätte der Arbeitnehmer viel Bedenkzeit. Vermutlich wird das Bundesarbeitsgericht das Problem in letzter Instanz zu entscheiden haben, womit aber frühestens in drei Jahren gerechnet werden kann. Bis dahin kann bei Abfindungen höher mit dem Chef gepokert werden, um sich das Widerrufsrecht abkaufen zu lassen.
Urteile zum Thema
Hinweispflichten (BAG, 2 AZR 749/00): Den Arbeitgeber treffen erhöhte Hinweis- und Aufklärungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlägt und dadurch den Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen Risiken für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aussetzen.
Abfindung (BAG, 4 AZR 497/00): Sieht ein Aufhebungsvertrag vor, der Abfindungsanspruch entstehe «erst mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum vorgenannten Austrittstermin», so entsteht ein Anspruch auf Abfindung nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Zeitpunkt aus einem anderen Grund beendet wird (hier: vorzeitige Erwerbsunfähigkeit).
Rückforderung einer Überbrückungszahlung (BAG, Az: 9 AZR 144/99): Der Arbeitgeber kann mit einem Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag rechtswirksam vereinbaren, dass er gegen ihn einen Anspruch auf Rückforderung einer Überbrückungszahlung hat, soweit der Arbeitgeber Erstattungsleistungen an das Arbeitsamt erbringen muss. Eine solche Vereinbarung ist nicht nichtig.
Urlaubsabgeltung (BAG 9 AZR 812/96): Die Erklärung in einem Aufhebungsvertrag, alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis seien erfüllt, umfasst wirksam alle Urlaubsansprüche, über die der Arbeitnehmer verfügen kann. Der unabdingbare gesetzliche Mindesturlaub gehört hierzu nicht.
Abfindungsanspruch und Tod des Arbeitnehmers (BAG, 9 AZR 227/96): Der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Anspruch auf eine Abfindung entsteht jedenfalls dann nicht bereits mit Abschluss des Vertrags, sondern erst zum vereinbarten Ausscheidenstermin, wenn es sich um eine Frühpensionierung handelt und im Aufhebungsvertrag kein früherer Entstehenszeitpunkt bestimmt ist. Endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig, etwa durch den Tod des Arbeitnehmers, kann der Anspruch nicht entstehen und von den Erben durch Erbfolge erworben werden.
Wegfall der Geschäftsgrundlage (BAG, 2 AZR 292/96): Der Aufhebungsvertrag steht in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird. Löst eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem Auflösungstermin auf, wird der Aufhebungsvertrag ? auch eine darin vereinbarten Abfindung ? gegenstandslos (Wegfall der Geschäftsgrundlage).
Handbuch zum Betriebsverfassungsrecht
NZA 20/2003, 1. Januar 2003
Buchbesprechung
Handbuch zum Betriebsverfassungsrecht
Von Ulrich Weber, Christian Ehrich, Angela Hörchens und Nathalie Oberthür. 2. Auflage. ? Köln, Otto Schmidt 2003. XLII, 702 S. geb. Euro 89,80.
Das "Handbuch zum Betriebsverfassungsrecht" von ? dem zwischenzeitlich leider verstorbenen ? Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulrich Weber sowie der Kölner Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht Nathalie Oberthür, der Professorin für Arbeitsrecht an der Fachhochschule Karlsruhe, Dr. Angela Hörchens sowie dem Richter am Arbeitsgericht Köln, Dr. Christian Ehrich, macht seinem Namen auch in der 2. Auflage Ehre. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Handbuch: handlich und gut handhabbar ? gut gegliedert und mit einem passablen Stichwortverzeichnis (welches in der dritten Auflage vielleicht noch etwas ausführlicher ausfallen sollte) ? auf das Wesentliche und im Wesentlichen auf die maßgebliche Rechtsprechung konzentriert. Es vermeidet tiefschürfende und für die Praxis oftmals untaugliche wissenschaftliche Auseinandersetzungen zu Gunsten eines anschaulichen Überblicks über die Kerngegenstände der Betriebsverfassung. Die seit dem Erscheinen der ersten Auflage ergangenen zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen sowie das am 28.07.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Betriebsverfassung werden in der zweiten Auflage in gebührendem Umfang dargestellt und in die Systematik des Grundwerks integriert. Literatur und Rechtsprechung sind bis Mitte 2002 berücksichtigt. Die zum Jahreswechsel 2001/2002 ebenfalls in Kraft getretene Reform der Wahlordnung wurde vollständig berücksichtigt. Die Autoren geben sowohl für Arbeitgeber als auch für Betriebsräte konkrete Hinweise, wie das Instrumentarium des BetrVG zu handhaben ist und welche Schwerpunkte besonders zu beachten sind. Beispiele sowie im Anhang aufgenommene Checklisten und Muster erleichtern das Verständnis und helfen dem Rechtsanwender bei der Lösung typischer Probleme.
Fazit: Wer den schnellen Überblick und praktischen Rat in systematischer Darstellung sucht, liegt mit dem Kauf des "Handbuch zum Betriebsverfassungsrecht" von Weber u. a. sicherlich nicht falsch.