Presseartikel Archiv Jahr 2002
Wer klaut, der fliegt
Berliner Morgenpost, 01.12.2002
von Dr. Martin Pröpper
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bestätigt: Wer im Job beim Diebstahl erwischt wird, kann fristlos gekündigt werden (2 AZR 923/98). Ausreichend sind «mitgegangene» Lebensmittel im Wert von 10 ?. Trotzdem hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt, dass es Gnade beim Klau am Arbeitsplatz nicht gibt. Der Arbeitnehmer bricht, so die BAG-Richter, durch «die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers». Der Wert des Diebesgutes spielt keine Rolle. Die richtige Überlegung der Arbeitsgerichte: Wer beim Juwelier beschäftigt ist, kann eine Rolex mitgehen lassen, wer in der Bäckerei arbeitet, Schrippen. Die Loyalitätsverletzung gegenüber dem Chef bleibt gleich, die Vertrauensbasis ist verloren.
Geradezu legendär ist der «Bienenstichfall» des Bundesarbeitsgerichts geworden, auf den die Gerichte immer wieder verweisen (2 AZR 83/3). Hier hat es das höchste deutsche Arbeitsgericht für eine fristlose Kündigung ausreichen lassen, dass eine Mitarbeiterin ein zum Verkauf gedachtes Kuchenstück aufaß.
Ob gegen den Arbeitnehmer zugleich Strafanzeige erstattet wird und wie das Strafverfahren ausgeht, interessiert die Gerichte nicht. Selbst der Freispruch vor dem Strafrichter schützt nicht vor fristloser Kündigung.
Vorsicht bei hohen Vertragsstrafen
Financial Times Deutschland, 24.09.2002
von Ulrich Weber
Nach wie vor klagen Betriebe über eine hohe Fluktuation qualifizierter Mitarbeiter. Um den Verlust solcher Leistungsträger zu verhindern, vereinbaren Unternehmen Vertragsstrafen. Ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz nicht antritt, das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet oder einen Grund zur fristlosen Kündigung gibt, muss dann eine Vertragsstrafe von in der Regel bis zu zwei Bruttomonatsgehältern zahlen.
Bislang hat die Rechtsprechung derartige Vereinbarungen nicht beanstandet. Eine Änderung scheint sich aber auf Grund von Neuregelungen des Bürgerlichen Rechts abzuzeichnen. Arbeitsverträge, die von den Vertragspartnern nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind, stehen auf dem Prüfstein. Vorformulierte Verträge dürfen demnach keine Vertragsstrafen für die unberechtigte Auflösung eines Vertragsverhältnisses enthalten.
Es gibt bereits Rechtsprechung unterinstanzlicher Gerichte, die deshalb die Unwirksamkeit einer solchen Vertragsstrafenregelung feststellten (ArbG Bochum vom 08.07.2002, AZ: 3 Ca 1278/02). Würde diese Rechtsprechung vom Erfurter Bundesarbeitsgericht bestätigt, könnten Vertragsstrafen in Formularverträge nicht mehr aufgenommen werden. Der Schaden der durch die vorzeitige Kündigung eines Angestellten entstanden ist, etwa die Kosten für eine befristete Ersatzkraft, muss dann vom Arbeitgeber nachgewiesen werden.
Aber selbst wenn die Rechtsprechung auch in Zukunft Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen zulassen sollte, hat die Gestaltung besonders aufmerksam zu erfolgen. Vor allem muss die Höhe der Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Einkommen des Angestellten und zum Schaden stehen, der möglicherweise durch den Vertragsbruch entsteht. Ein bis zwei Bruttomonatsgehälter sind dabei in der Vergangenheit noch als angemessen angesehen worden.
Während jedoch bislang überhöhte Vertragsstrafen einfach auf ein niedrigeres Maß herabgesetzt wurden, kann sich der Arbeitgeber auf eine derartige Korrektur durch die Arbeitsgerichte nicht mehr verlassen. Die neue Rechtslage führt vielmehr dazu, dass eine überhöhte Strafe die Unwirksamkeit der gesamten Regelung nach sich ziehen kann ? selbst wenn die Vereinbarung im Grundsatz als zulässig erachtet wird.
Die Rechtsprechung ist nun gefordert, diese Problematik endgültig zu klären. Größte Vorrecht ist bis dahin nur bei überhöhten Vertragsstrafen angebracht. An Vereinbarungen, die die bislang anerkannte Strafhöhe von ein bis zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreiten, kann grundsätzlich festgehalten werden.
Wenn der Konkurs kommt
Berliner Morgenpost, 01.09.2002
von Dr. Martin Pröpper
Ob Holzmann, Herlitz oder Kirch ? selbst namhafte Firmen sind nicht vor Konkursen sicher. Ist der Gang zum Konkursrichter erfolgt, hat ab sofort der Insolvenzverwalter das Sagen, auch in allen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Hält der Insolvenzverwalter nach erster Bilanzierung eine Fortführung der Firma für machbar, kann die Belegschaft aufatmen. Denn dann müssen die laufenden Lohnkosten mit einkalkuliert sein. Erfolgt hingegen eine Schließung des Betriebes, ist geltendes Arbeitsrecht trotzdem nicht ausgehebelt. Auch im Insolvenzfall muss die Kündigung betriebsbedingt gerechtfertigt sein, damit sie wirksam ist.
Allerdings gibt es bei den Fristen einen wichtigen Unterschied: Der Insolvenzverwalter hat maximal eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten, ganz unabhängig davon, was tariflich oder nach Arbeitsvertrag gilt. Damit kann selbst ein altgedienter Mitarbeiter nicht auf seine eigentlich langen Kündigungsfristen vertrauen. Eine weitere Besonderheit gilt für den Betriebsrat bei Personalabbau im Konkurs. Denn der Betriebsrat kann gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine Namensliste derjenigen Arbeitnehmer erstellen, denen gekündigt werden darf. Diese Namensliste ist auch für das Arbeitsgericht bindend und nur ungültig, wenn grobe Fehler bei der Erstellung nachzuweisen sind. Tritt letztlich Zahlungsunfähigkeit der Firma ein, bleibt der Schutz durch das Arbeitsamt bescheiden. Lediglich die drei letzten ausstehenden Gehälter sind als Insolvenzgeld abgesichert.
Böses Erwachen
Financial Times Deutschland, 20.08.2002
von Ulrich Weber
Als Alternative zu den älteren Vorruhestandsmodellen gewinnt die Altersteilzeit immer mehr an Bedeutung. Das Altersteilzeitgesetz ermöglicht älteren Arbeitnehmers, sich schrittweise an den Ruhestand zu gewöhnen. Mitarbeiter ab dem 55. Lebensjahr, die ihre Arbeitszeit auf die Hälfte reduzieren, erhalten mindestens 70 Prozent ihres bisherigen Nettogehaltes weitergezahlt.
Allerdings sind die gesetzlichen Regelungen komplex und die sozial- und steuerrechtlichen Konsequenzen für den Laien nur schwer zu durchschauen. Das musste ein Arbeitnehmer erfahren, über dessen Fall das Bundesarbeitsgericht im Juni zu entscheiden hatte. In der Vereinbarung hatte der Arbeitgeber zugesagt, das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt während der Altersteilzeit auf mindestens 85 Prozent aufzustocken. Dabei sollte das um die gewöhnlichen Abzüge geminderte Gehalt maßgebend sein.
Zwei Jahre später erlebte der Arbeitnehmer eine böse Überraschung, als das Finanzamt von ihm eine Steuernachzahlung forderte. Was er beim Abschluss der Vereinbarung nicht wusste: Finanzielle Aufstockung des Arbeitgebers sind zwar nach dem Einkommenssteuergesetz steuerfrei. Sie unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt (der so genannten "Schattenbesteuerung";).
Die erhöhten Beiträge sind auf der Lohnsteuerkarte gesondert auszuweisen. Die übrigen Einkünfte werden dann so besteuert, als seinen die aufgestockten Leistungen ebenfalls steuerpflichtig. In der Regel kommt es hierdurch zu Steuernachforderungen, weil nur der Lohnsteuersatz für das normale Gehalt abgeführt wird.
Diesen Nachteil wollte der Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Er verklagte den Arbeitgeber, ihm die höheren steuerlichen Aufwendungen zu erstatten. Der Mitarbeiter sah unter anderem auch die Aufklärungspflicht verletzt: Angesichts der Komplexität der Materie habe der Arbeitgeber nicht davon ausgehen können, dass der Mitarbeiter die nachteiligen steuerlichen Folgen der Altersteilzeitvereinbarung absehen konnte. Im Übrigen garantiere ihm die Alterszeitvereinbarung nach ihrem Wortlaut während der Altersteilzeit 85 Prozent seines Nettogehaltes.
Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Vom Arbeitgeber könne nicht verlangt werden, dass er die steuerliche Mehrbelastung aus der Schattenbesteuerung übernimmt. Aus den Zusagen des Arbeitgebers lässt sich keine solche Verpflichtung ableiten. Nach Auffassung der Richter ist der Arbeitgeber auch nicht verpflicht, den Arbeitnehmer über alle Eventualitäten steuerrechtlicher Konsequenzen aufzuklären.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt auf einer Linie mit den Entscheidungen zur Aufklärungspflicht über die steuerrechtlichen Folgen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers und Haftung im Falle der falschen Auskunft besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber auf Grund seiner überlegenen Sachkunde ohne weiteres zu entsprechenden Auskünften imstande ist oder Arbeitnehmer während der Verhandlungen zum Ausdruck bringt, dass er steuerlichen Rat benötigt und sich hierzu bereit erklärt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass sich der Arbeitnehmer rechtzeitig selbst fachkundige Beratung über mögliche steuerliche Folgen einholen muss.
Wenn es alle trifft
Berliner Morgenpost, 04.08.2002
von Dr. Martin Pröpper
Weiterer massiver Stellenabbau ist von der Wirtschaft angekündigt. Bei Großunternehmen wird die Personalreduzierung bereits in Tausenderschritten gerechnet. Aber Massenentlassungen machen den Arbeitnehmer nicht schutzlos. Denn der geplante Stellenabbau muss rechtzeitig ankündigt sein.
Inhalt dieser Anzeige beim Arbeitsamt: Wie viel Mitarbeiter werden in welchem Zeitraum entlassen. Eigentlich eine bloße Formalität, um die örtliche Arbeitsverwaltung zu informieren, sollte man meinen. Wichtig aber hierbei: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Kündigungen unwirksam, wenn die Massenentlassung nicht richtig angezeigt war. Damit verschafft die Massenentlassung dem Arbeitnehmer sogar einen zusätzlichen Kündigungsschutz.
Denn wird die Massenentlassungsanzeige unter die Lupe genommen, sind Mängel immer wieder festzustellen. Häufiger Arbeitgeberfehler: Es werden zwar die geplanten Kündigungen aufgezählt, hingegen die Aufhebungsverträge übersehen. Die zählen aber genauso mit, so dass die Entlassungen insgesamt unwirksam sind.
Diese formelle Hürde trifft keineswegs nur Großunternehmen, sondern es gelten Grenzwerte. Hat die Firma über 20 Mitarbeiter, muss schon bei mehr als fünf Entlassungen informiert werden. Auch der Betriebsrat hat eine Schlüsselfunktion. Solange die Arbeitnehmervertretung mit der Firma noch über einen Sozialplan verhandelt, darf nicht gekündigt werden. Klar, dass deshalb beim Abfindungspoker auch auf Zeit gespielt wird.
Extraleistung steuerlich optimieren
Capital 08/2002, 1. August 2002
Die Outplacement-Beratung ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers ? und mitunter lohnsteuerpflichtig. Geschickte Klauseln reduzieren die Zahlung an das Finanzamt
Steuerfreiheit
Für entlassene Arbeitnehmer bleiben Outplacement-Leistungen steuerfrei, solange sie im "betrieblichen Interesse" erfolgen. Zum Beispiel, wenn der Chef das Arbeitsverhältnis sozialverträglich beenden möchte. Dazu zählen Maßnahmen, die gekündigten Angestellten den
Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen sollen und vom Arbeitsamt bis zu acht Wochen gefördert werden können. Darunter fallen unter anderem das Bewerbungstraining, die Beratung zur Jobsuche, die Stellenvermittlung oder der Eignungstest zur beruflichen Qualifikation.
Steuerpflicht
Umschulung oder psychologische Tests fördern primär die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers. Das Finanzamt wertet solche Dienstleistungen als steuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Claudia Kothe-Heggemann von der Anwaltskanzlei Ulrich Weber und Partner: "Wenn möglich, einigen sich Mitarbeiter und Chef darauf, dass anfallende Steuern der Arbeitgeber übernimmt." Ihr Tipp: "Vor allem in der Anfangsphase des Trennungsprozesses kann der Arbeitnehmer viele Wünsche durchsetzen". Der Chef habe ein Interesse, den Abschied konfliktfrei zu gestalten.
Steueroptimierung
Ist keine Einigung möglich, winken Steuervergünstigungen. Bei Abfindungen ? inklusive des geldwerten Vorteils in Höhe der Outplacement-Kosten greift zum einen der Steuerfreibetrag. Er liegt je nach Alter bei 8181 bis 12271 Euro. Des Weiteren gilt die Fünftel-Regelung: Nur 20 Prozent der Abfindung werden in die Steuersatzberechnung einbezogen. Für den Betroffenen ergibt sich daraus meist eine geringere Steuerzahlung, da nicht der volle persönliche Einkommenssteuertarif für die Abfindung greift. Voraussetzung ist jedoch, dass Abfindung und Zahlung für das Outplacement im selben Jahr erfolgen. Fallen die Beratungskosten im Folgejahr an, kann die Steuervergünstigung kippen. Ist dies bereits beim Aufhebungsvertrag absehbar, rät Steuerberater Hans Günter Christoffel: "Dann ist es lohnend, wenn der Arbeitnehmer die Kosten für die Beratung selbst übernimmt und sich vom Arbeitgeber eine um den gleichen Betrag höhere Abfindung auszahlen lässt." Vorteil: Im Jahr der Abfindung gilt die Fünftel-Regelung und im Folgejahr zieht der Arbeitnehmer Aufwendungen für das Outplacement als Werbungskosten für seine Einkünfte ab.
Teure Ménage à trois
Financial Times Deutschland, 23.07.2002
von Ulrich Weber
Aktienoptionen bieten einen unbestreitbaren Vorteil: Unmittelbar am Erfolg der Firma teilhaben motiviert viele Mitarbeiter, die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu fördern und ihm auch für die Zukunft die Treue zu halten. Besondere rechtliche Aufmerksamkeit verdient dabei jene Konstellation, bei der eine ausländische Konzernmutter den Beschäftigten eines deutschen Tochterunternehmens Aktienoptionen gewährt.
Wenn das Anstellungsverhältnis bei der Tochtergesellschaft endet, stellt sich häufig die Frage, was mit dem Optionsanspruch geschieht. In der Praxis treffen die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vielfach folgende Vereinbarung.: Die Optionsansprüche sollen weiter bestehen, unberührt vom Ende des Arbeitsvertrages. Das kann aber insbesondere dann zu Ärger führen, wenn der Optionsanspruch im rahmen einer gewährten Abfindung berücksichtigt wurde und sich die Vereinbarung im Nachhinein als unwirksam entpuppt.
Aktienoptionen können sich vor allem bei US-Konzernen als riskant herausstellen
Dabei muss sorgfältig zwischen den jeweils bilateralen Rechtsbeziehungen der drei an einer internationalen Aktienoptionsgewährung Beteiligten ? nämlich dem deutschen Mitarbeiter, der Tochtergesellschaft und der ausländischen Konzernmutter ? unterschieden werden: Der Mitarbeiter hat einen Arbeitsvertrag mit der deutschen Tochtergesellschaft, der Optionsvertrag besteht hingegen mit der Konzernmutter. Aus dem Aktienoptionsvertrag kann er allein die Konzernmutter in Anspruch nehmen. Sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer trennen wollen, sind die Bedingungen des Optionsvertrages bei den Aufhebungsverhandlungen für die Parteien des Arbeitsvertrages tabu.
Ordnen zum Beispiel Verfallsfristen im Aktienoptionsvertrag an, dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein Optionsrecht innerhalb einer bestimmten Frist ? meist innerhalb von fünf Jahren ? einbüßt, stehen diese Bestimmungen bei den Beendigungsverhandlungen nicht zur Disposition der Parteien. Will der Arbeitnehmer den Verlust der Aktienoptionsrechte verhindern, muss er mit der ausländischen Konzernmutter verhandeln.
Weitere Probleme können sich wegen des internationalen Charakters des Aktienoptionsvertrages ergeben. Nämlich dann, wenn es zu einem Prozess gegen die Konzernmutter kommt: So ordnen die Optionspläne amerikanischer Mutterkonzerne oft an, dass US-Recht anzuwenden ist. Und sie legen meist die Zuständigkeit eines amerikanischen Gerichts fest. Die führt dazu, dass Prozesse oft an einem ausländischen Gerichtsstand geführt werden müssen. Dort kommen zudem die deutschen arbeitnehmerschützenden Normen nicht zur Anwendung. Eine Aktienoptionszusage eines internationalen Konzerns kann also wesentlich weitreichendere Probleme aufwerfen als das gleiche Vergütungsmodell einer deutschen Firma.
Die so greifbar erscheinenden und teilweise eingeplanten Vergütungszuschläge sind oft schwerer zu realisieren, als zum Zeitpunkt der Zusage zu vermuten war.
Kürzung freiwilliger Leistungen
Berliner Morgenpost, 07.07.2002
von Dr. Martin Pröpper
Der Kostendruck für die Firmen ist immens, gleich in welche Branche man schaut. Selbst ein Großkonzern wie Karstadt-Quelle hat inzwischen angekündigt, man werde die freiwilligen Leistungen für die 60.000 Beschäftigten zusammenstreichen. Bei der Suche nach Einsparpotential sind alle zusätzlichen Leistungen in das Blickfeld gerückt. Betroffen ist das übertarifliche Urlaubsgeld ebenso wie Jubiläumsgelder für die Treue zum Unternehmen oder die bislang gewährten Kantinenzuschüsse. Aber auch der Sonderurlaub für die Heirat bleibt nicht mehr unangetastet.
Am besten ist gegenüber Sparmaßnahmen positioniert, wer die zusätzliche Leistung ausdrücklich im Arbeitsvertrag zugesichert hat. Denn dann kann die Firma nur mit dem Mittel der Änderungskündigung die Leistung zurückschrauben. Aber auch wenn keine schriftliche Regelung besteht, liegt nicht unbedingt eine freiwillige Leistung vor, die sofort eingestellt werden kann. Wurde in den zurückliegenden drei Jahren jeweils ein zusätzliches Urlaubsgeld gezahlt, gilt dies schon als «betriebliche Übung» und kann nicht plötzlich beendet werden.
Bei Leistungen, die tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung zugestanden sind, muss der Arbeitgeber sich an deren Laufzeit halten. Oft kommt es aber schon vorzeitig zu Kompensationsgeschäften: Die Arbeitnehmervertretung akzeptiert, dass bestimmte Vergütungen vorzeitig reduziert werden. Umgekehrt sagt der Arbeitgeber dann zu, innerhalb bestimmter Zeiträume keine Kündigungen auszusprechen.
Urteile zum Thema
Gleichbehandlung und übertarifliche Zulage (BAG, 10 AZR 444/00): Zahlt ein Arbeitgeber in einer Zeit des Fachkräftemangels eine übertarifliche Zulage, um Mitarbeiter anzuwerben oder im Betrieb zu halten, dann ist er nicht verpflichtet, neu einzustellenden Pflegekräfte diese Zulage ebenfalls zu gewähren, wenn die Mangelsituation nicht mehr besteht.
Verrechnung übertariflicher Zulagen mit Erhöhung des Tarifgehaltes (BAG, 1 ABR 77/96): Zahlt der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen, deren jederzeitigen Widerruf er sich gegenüber einem Teil der Belegschaft vorbehalten hat, so hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Steigerungen des Tarifgehalts auf Grund von Alterssprüngen, Höhergruppierungen oder Erhöhungen der tariflichen Leistungszulage bei den jeweils betroffenen Arbeitnehmern auf die übertarifliche Zulage anrechnet.
Widerruf einer tariflichen «Ballungsraumzulage» (BAG, 6 AZR 774/95): Ist den Mitarbeitern einer Gemeinde eine höhere Grundvergütung als sog. «Ballungsraumzulage» unter Bezugnahme auf eine Tarifbestimmung zugesagt, so wird sie nach dem Tarifwortlaut «im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel» gewährt. Sind diese Mittel nicht mehr verfügbar, kann die Zahlung eingestellt werden.
Bei Mobbing Schmerzensgeld
Capital 07/2002, 1. Juli 2002
Wer am Arbeitsplatz systematisch schikaniert wird, kann unter Umständen Schmerzensgeld als Ausgleich verlangen - von den Kollegen oder auch vom Arbeitgeber.
Rund 1,5 Millionen Menschen sind auf ihrer Arbeit Schikanen von Kollegen oder Chef ausgesetzt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat jetzt einen Vorgesetzten verurteilt, seinem Mitarbeiter rund 7500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, weil er ihn jahrelang gemobbt hatte (6 Sa 415/01, Revision beim Bundesarbeitsgericht). "Unter Umständen muss auch der Arbeitgeber zahlen, etwa wenn er eine Kündigung ausspricht, obwohl er weiß, dass diese offensichtlich unwirksam ist", sagt der Kölner Anwalt Marcus Portz. So entschied das Arbeitsgericht Köln (1 Ca 8005/99). Doch nicht jedes Mobbingopfer erhält Schmerzensgeld. Portz: "Dies kommt nur in Frage, wenn andere geeignete Formen der Wiedergutmachung nicht ausreichen oder nicht möglich sein."
Beweis. "Betroffene sollten Schikanen durch Notizen oder Atteste dokumentieren", rät Rechtsanwalt Marcus Port.
Altersversorgung auch für untreue Manager
Financial Times Deutschland, 25.06.2002
von Ulrich Weber
In den vergangenen zwei Jahren sind deutsche Unternehmen bei Abfindungszahlungen deutlich sparsamer geworden. In einigen Fällen wurden sogar unfähigere oder untreue Manager mit Schadensersatzforderungen konfrontiert. In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 11. März 2002 befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem besonderen Fall: Ein Manager hatte nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit das Unternehmen gegen Zahlung einer Abfindung in Millionenhöhe verlassen. Später stellte sich heraus, dass er gemeinsam mit einem Mittäter von einem Lieferanten Schmiergelder von mehr als 2 Mio. DM erhalten hatte. Daraufhin versuchte das Unternehmen, die Versorgungszusage für den untreuen Manager zu widerrufen. Dieses Bemühen scheiterte vor dem BGH.
Nach ständiger Rechtsprechung des zuständige Zweiten Senats kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs bei Versorgungszusagen nur in besonders schweren Fällen erhoben werden: Der Pensionsberechtigte muss seine Pflichten in so grober Weise verletzt haben, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreu nachträglich als zumindest erheblich entwertet herausstellt.
Dieser auch vom Bundesarbeitsgericht geteilten Rechtsprechung liegt die Überlegung zu Grunde, dass das Versorgungsversprechen Teil des geschuldeten Entgeltes ist. Genauso wie die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nicht durch eine fristlose Kündigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses rückwirkend beseitigt werden kann, kann die erarbeitete Versorgung nicht nachträglich gekürzt werden.
Nur wenn der Manager seine Treuepflicht besonders grob verletzt hat, kann das Unternehmen den Missbrauchseinwand geltend machen. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung reicht dafür nicht aus ? ebenso wenig, dass die Führungskraft sich strafbar gemacht hat. Bislang hat die Rechtsprechung Eingriffe in die Altersversorgung nur bejaht, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen in eine existenzbedrohende Lage gebracht hat.
In dem vorliegenden Fall sah das Gericht dies als nicht gegeben an: Der Manager hatte trotz der hohen Summe des veruntreuten Geldes die Existenz des Unternehmens nicht gefährdet. Zudem mochte der BGH die langjährige Betriebstreue des Managers und die von ihm erzielten Erfolge nicht als wertlos oder wesentlich entwertet bezeichnen. Die BGH-Entscheidung macht nochmals deutlich, dass Eingriffe in die Altersversorgung von AG-Vorständen, Geschäftsführern aber auch Arbeitnehmern nur in besonders krassen Ausnahmefällen denkbar sind.
Die bessere Lösung
Focus Money 29/2002, 21. Juni 2002
Viele Unternehmen setzen auf Alternativen zur Entlassung. Mitarbeiter müssen gut abwägen, ob sie mitziehen.
Es gibt kreativere Möglichkeiten, als Leute zu entlassen", konstatiert Peter Baumgartner. Der Geschäftsführer der Personalberatung Mercer Deutschland favorisiert Alternativen wie Teilzeit oder Sabbaticals. "Die teuerste Strategie ist, Mitarbeiter auszubilden, um sie dann zu entlassen."
Dass Entlassungen zunächst ins Geld gehen, wissen auch die Unternehmen. Statt auf kostspielige Sozialpläne setzen daher viele inzwischen auf Alternativen wie etwa Lohnverzicht, Altersteilzeit oder unbezahlten Urlaub.
Knifflige Entscheidung. Für die meisten dieser Methoden braucht der Chef aber die Zustimmung seiner Belegschaft. "Daher müssen Arbeitnehmer die Voraussetzungen kennen und die Konsequenzen gut abwägen", mahnt Nathalie Oberthür aus der Kanzlei Weber & Partner in Köln.
Nie unter Druck setzen lassen
Focus Money, 29/2002, 21. Juni 2002
Arbeitsrechtsexperte Ulrich Weber sieht gute Chancen für einen goldenen Handschlag.
FOCUS-MONEY: Haben Arbeitnehmer in der momentanen wirtschaftlichen Situation überhaupt noch Verhandlungsspielräume? Ist es nicht besser, das erste Angebot eines Aufhebungsvertrages zu akzeptieren?
Ulrich Weber: Auf keinen Fall. Wenn nicht gerade das komplette Unternehmen schließt, würde ich immer versuchen, den Vertrag zu optimieren. Wer von vornherein klein beigibt, wird allenfalls mit einer Standardlösung abgespeist.
MONEY: Was würden Sie raten, wenn der Chef auf einer sofortigen Unterschrift besteht?
Weber: In solchen Fällen kann man sicher davon ausgehen, dass der Vertrag den Mitarbeiter benachteiligt. Man sollte sich nie unter Druck setzen lassen und auf jeden Fall auf einer ausreichenden Bedenkzeit bestehen. Eine Woche ist das Minimum.
MONEY: Schwächt der Angestellte damit nicht seine Verhandlungsposition und muss dann finanzielle Nachteile befürchten?
Weber: Im Gegenteil. Mit solchen Drohungen versuchen meist die Untenehmen, ihre schwachen Verhandlungspositionen zu kaschieren. Im Übrigen können Drohungen für den Arbeitgeber richtig teuer werden, denn der Vertrag ist in solchen Fällen später anfechtbar. Dann besteht das Arbeitsverhältnis fort, und der Mitarbeiter hat weiter Anspruch auf Gehalt bis zu einer gerichtlichen Klärung. Und weil das Jahre dauern kann, erhöhen die Unternehmen dann lieber die Abfindung.
Lohnende Klage
Focus Money 26/2002
Freitag, 21. Juni 2002
Ob Kündigung oder ausstehende Bezüge ? der Arbeitnehmer muss seine Rechte vor den Arbeitsgerichten einklagen.
Ablauf. In einem vorgeschalteten Gütetermin sollen die Parteien versuchen, ihren Streit per Vergleich beizulegen. Misslingt das, folgen Beweisaufnahmen und Urteil.
Anwalt. Vor der 1. Instanz kann sich jeder selbst vertreten. Die Rechtsantragsstelle am Arbeitsgericht hilft bei der Formulierung der Anträge. Vor Landes- und Bundesarbeitsgericht ist der Anwalt Pflicht.
Kosten. In 1. Instanz zahlt jede Partei ihre Kosten selbst, später trägt der Verlierer sämtliche Kosten der jeweiligen Instanz.
Frist. Eine Kündigungsschutzklage muss binnen drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens beim Gericht sein. Eine Feststellung wegen unwirksamer Befristung muss ein Mitarbeiter ebenfalls binnen drei Wochen nach Beschäftigungsende einklagen.
"Wer einen Aufhebungsvertrag zu schnell unterschreibt, riskiert finanzielle Einbußen"
Bei Abschied Bares
Focus Money, 16/2002
Freitag, 21. Juni 2002
Auch bei Abfindungen bittet der Fiskus zur Kasse. Doch Arbeitnehmer können sich Steuervorteile sichern.
Als Top-Manager Herbert Maier* nach 23 Jahren entlassen wurde, zeigte sich sein Chef trotz allem fürsorglich. Neben einer Abfindung von rund 250.000 Euro übernahm er die Kosten einer Outplacement-Beratung. Die Freu über den Bonus trübte jedoch das Finanzamt. Da Beratung und Abfindung in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen gezahlt wurden, verweigerten die Beamten der Führungskraft die ermäßigte Abfindungsbesteuerung (s. Kasten). Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dafür kein Verständnis: Nehme der Mitarbeiter die soziale Fürsorge des Chefs in Anspruch, seien seine Steuervorteile nicht in Gefahr (Az. XI R 22/00).
Weiche Landung. Viele Unternehmen leiden derzeit unter Sparzwang. Allein die Firmen am Neuen Markt haben im vergangenen Jahr mehr als 25.000 Beschäftigte freigesetzt. "Bei solchem Personalabbau können scheidende Mitarbeiter oft sogar Summen oberhalb der Faustformel ? ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ? erreichen", weiß Ulrich Weber, Rechtsanwalt aus Köln. Der Chef zahlt vor allem dann mehr, wenn er für eine Kündigung nur schwache Argumente hat.
Von der ausgehandelten Entschädigung will aber auch der Fiskus einen Anteil. Zwar gewährt er Freibeträge von mindestens 8181 Euro (s. Kasten). "Weil die Beamten aber seit 1998 Abfindungen nicht mehr pauschal mit dem halben Steuersatz veranlagen, fließt regelmäßig mindestens ein Drittel der Summe in die Staatskasse", schätzt Weber. Doch auch die neue Rechenmethode, die Fünftel-Regelung (s. Kasten), beschert den meisten Arbeitnehmern Vorteile. Wer diesen Spareffekt sichern will, muss allerdings geschickt planen.
Alles auf einmal. Die Finanzämter gewähren den Vorteil nur dann, wenn die gesamte Abfindung in einem Jahr auf das Mitarbeiterkonto fließt. "wer sich daher auf Ratenzahlung über mehrere Jahre entlässt, riskiert schnell seine Steuerersparnis", warnt Rechtsanwalt Michael Felser aus Brühl. Ausnahme: Es gibt einen Nachschlag, weil der Chef sich verrechnet hatte.
Zusatzleistung. Oft handeln Führungskräfte neben einem Geldbetrag aus, dass sie ihren Dienstwagen oder üppige Personalrabatte auch im Jahr nach dem Ausscheiden nutzen dürfen. Das kann allerdings teuer werden: Laut Finanzgericht Düsseldorf kappen solche Boni die Fünftel-Regel immer dann, wenn sie mehr als rund ein Prozent der Gesamtleistung ausmachen (Az. 7 K 714/97; Rev. BFH XI R 34/01).
Großzügig zeigt sich der Fiskus dagegen bei sozialen Leistungen. So kann der Chef laut Bundesfinanzministerium gefahrlos eine Betriebsrente weiterzahlen oder die Pension sofort fällig stellen. Auch kann er seinem Ex-Mitarbeiter Zahlungen für den Fall längerer Arbeitslosigkeit zusichern. Doch Vorsicht: Erreichen solche Fürsorgeleistungen nahezu die Abfindungshöhe, muss sich der Mitarbeiter die Steuervorteile abschminken. So strich jetzt der BFH einem Arbeitnehmer den Bonus, weil er neben 50000 Euro Abfindung bis zu seinem 63. Lebensjahr eine Grundversorgung von insgesamt rund 45000 Euro erhalten sollte (Az. XI R 2/01).
Mit spitzem Bleistift. Führungskräfte müssen genau kalkulieren. "Je höher das Gehalt, desto geringer sind die Steuervorteile", erläutert Manfred Karges, Steuerberater bei Pricewaterhouse Cooper. Daher kann es sich durchaus lohnen, statt der relativ geringen Ersparnis Zusatzleistungen über mehrere Jahre hinweg zu wählen. Weiß der Manager dagegen, dass er im Folgejahr nur geringe Einkünfte haben wird, bietet sich eine andere Taktik an: "Dann sollte er im Jahr des Ausscheidens nur eine Summe in Höhe des Freibetrages verlangen und den Rest im Folgejahr kassieren", empfiehlt Karges. Diese Aufteilung in zwei Tranchen gefährde die Fünftel-Regel nicht. Vorteil: Mangels Spitzengehalt schlägt die Progression deutlich geringer zu Buche, der Steuersatz sinkt. Nicht die einzige Gestaltungschance: "Zahlt der Chef einen Teil der Abfindung in eine Direktversicherung ein, fallen für diese Beträge nur 20 Lohnsteuer an", rät Anwalt Felser.
Steuerbegünstigte sind in solchen Fällen für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zu 1725 Euro.
Egal welche Gestaltung gewählt wird: Im Aufhebungsvertrag sollte die Klausel stehen, das Arbeitsverhältnis ende "auf Veranlassung des Arbeitgebers". Sonst entfällt nicht nur die Fünftel-Regelung, sondern auch die Freibeträge.
*Name von der Redaktion geändert
Abfindung für den Fiskus
Freibetrag. Einen Teil der Abfindung kassiert der Arbeitnehmer immer steuerfrei (s.u.). Voraussetzung: Der Chef hat die Auflösung des Arbeitsverhältnisses veranlasst.
Sätze. Die Steuer für die Abfindung berechnet sich nach der Fünftel-Regel (s. Rechnung). Behält der Chef die Steuer nicht bei Auszahlung ein, kann sich der Arbeitnehmer den Tarifvorteil per Antrag im Mantelbogen der Steuererklärung sichern.
Aufteilungsverbot. Das Finanzamt nutzt jedoch nur dann die Fünftel-Regel, wenn die Abfindung komplett in einem Jahr ausgezahlt wird. Seine Spareffekte riskiert der Mitarbeiter daher, wenn der Chef ihm etwa im Jahr nach Arbeitsende noch einen Dienstwagen stellt oder großzügige Personalrabatte gewährt. Ausnahme: Die Zusatzleistungen bilden nur ein Prozent der Gesamtabfindung. Unschädlich ist, so Steuerberater Manfred Karges, die Weiternutzung eines Firmentelefons.
Soziale Fürsorge. Die Steuervorteile sind ungefährdet, wenn der Chef im Folgejahr eine Outplacement-Beratung zahlt, ein Arbeitgeberdarlehen weiter läuft oder Extrazahlungen im Fall längerer Arbeitslosigkeit gewährt werden. Risikolos kann der Mitarbeiter auch aushandeln, dass der Chef den Beginn einer lebenslangen Betriebsrente vorzieht oder auf die Kürzung der Rente verzichtet.
Kirchensteuer. Die meisten Kirchenämter gewähren eine 59-prozentige Ermäßigung auf die für die Abfindung anfallende Kirchensteuer.
Beratung. Kosten für Anwalt und Steuerberater, die bei einer Abfindungsverhandlung betreuen, sind absetzbar.
Direkt aufs eigene Konto
Mindestens 8181 Euro kassiert der Mitarbeiter steuerfrei. Auf die Freibeträge muss jedoch verzichten, wer im Zuge einer Änderungskündigung oder Versetzung Abfindungen erhält. Auch die Zahlung von noch ausstehenden Gratifikationen begünstigt der Fiskus nicht.
Mindestfreibetrag 8181 Euro
Alter Betriebszugehörigkeit Freibetrag
50 Jahre mind. 15 Jahre 10226 Euro
55 Jahre mind. 20 Jahre 12271 Euro
Der Progression ein Schnippchen schlagen
Um die Progressionswirkung abzufedern, verteilt der Fiskus eine Abfindung fiktiv auf mehrere Jahre. Den Effekt erreicht er mit der Fünftel-Regel: Die Steuer auf die Abfindung beträgt das Fünffache der Differenz aus der Steuer für das Einkommen plus ein Fünftel der Abfindung und der Steuer für das Einkommen ohne Abfindung. Bitter für Spitzenkräfte: je höher das Gehalt desto geringer der Spareffekt.
Beispiel: Ein verheirateter Ingenieur hat ein Jahreseinkommen von 75000 Euro. Seine Abfindung beträgt 48181 Euro.
zu versteuerndes Einkommen / *Steuerlast
Einkommen + 1/5 der Abfindung**; 83000 / 21514***
Einkommen ohne Abfindung: 75000 / 13328
Steuerdifferenz: 3186
Abfindungssteuer: 3185 x 5 15930
Gesamtsteuer: 34258
Gesamtsteuer ohne Fünftel-Regel: 36040
Ersparnis:1782
* alle Angaben in Euro; ** Freibetrag: 8181 Euro; *** Steuern exkl. Soli
"Mitarbeiter sollten einen Aufhebungsvertrag genau prüfen. Drängt der Chef zur Unterschrift, ist die Abfindung oft zu niedrig"
Wehrhaft
Wirtschaftsjournalist 05/2002
Mittwoch, 1. Mai 2002
von Thomas Münster mit RA Peter Rölz
Eine Karrierebremse sind betriebsbedingte Kündigungen heute nicht mehr. Trotzdem: Betroffene sollten mit rechtlicher Beratung in die Verhandlungen gehen. Was ist dabei zu beachten?
Der Personalleiter hat den fertigen Aufhebungsvertrag schon da, verspricht ein gutes Zeugnis und eine Abfindung. "Unterschreiben Sie jetzt oder nie, in Ihrem eigenen Interesse!" Andere Häuser gehen härter zur Sache: "Kündigen Sie selbst, bevor wir es tun müssen." Der scheinbare Vorteil: "Dann steht im Zeugnis: Ausgeschieden auf eigenen Wunsch."
Schlechter Stil. Peter Rölz, Büroleiter Frankfurt der Arbeitsrechtskanzlei Ulrich Weber und Partner, sagt: "Wer sich seiner Rechtsposition sicher ist, lässt den Betroffenen auch Zeit zum Überlegen." Eine Eigenkündigung nahe zu legen sei "ein fieser Personaltrick, aber recht erfolgreich", findet der Fachanwalt für Arbeitsrecht Arno Frings, Kanzlei Luther Menold in Düsseldorf. "Anspruch auf ein wohlwollendes Zeugnis hat jeder sowieso." Und sonst bringe das Kündigen nur Nachteile, etwa drei Monate Sperre beim Arbeitslosengeld. Vor allem: "Eine betriebsbedingte Kündigung ist heute keine Karrierebremse mehr."
Mitarbeiter, die vor einer Kündigung stehen, sollten deshalb in jedem Fall folgende Aspekte beachten:
1. Verhandeln!
Arno Frings rät: "Nie sofort unterschreiben, sondern erst mal nur zuhören und Stellungnahme ankündigen." Das wahrt alle Chancen. Egal, ob der Arbeitgeber das Spiel mit Angeboten oder gleich mit einer Kündigung eröffnet hat, irgendwann wird fast immer verhandelt, auch wenn der Fall vor Gericht geht. "90 Prozent der Kündigungsverfahren enden durch Vergleich", weiß Gerda Theile, Referentin Print beim Deutschen Journalistenverband (DJV). Der Grund: Besteht Kündigungsschutz (für alle, die in einem Betrieb mit mehr als sechs Arbeitnehmern länger als sechs Monate fest - nicht befristet - angestellt sind), ist ein Arbeitgeberfehler schnell passiert, ein Prozess über mehrere Instanzen ist langwierig. Lieber verhandelt man. Für den Mitarbeiter heißt das: "Als erstes Rechtsberatung bei Anwalt oder Gewerkschaft", so Peter Rölz. "Der Anwalt muss Arbeitsrechtler sein", darauf besteht Arno Frings. Ein Medienrechtler richtet bei den Arbeitsgerichten wenig aus. Wichtig ist außerdem - so Gerhard Manthey, Fachbereich Medien bei ver.di - Branchenkenntnis. Arno Frings: "Da haben Kollegen und Betriebsrat oft gute Adressen."
2. Kosten checken!
Anwälte haben keine einheitlichen Tarife. So kostet die Betreuung bei Arno Frings in der Regel mindestens ein Bruttomonatsgehalt. Peter Rölz rechnet bei Redakteuren nach Gebührenordnung ab, bei Chefredakteuren nach Honorarvereinbarung. Da hilft nur: vorher fragen. Außergerichtliche Verhandlungen mit Vergleich kosten bei einem Monatsbruttogehalt von 5000 Euro nach Gebührenordnung mit Mehrwertsteuer 2297,96 Euro, bei 7500 sind es 2785,16, jeweils plus Auslagen. Die Rechtsschutzversicherung zahlt nur nach Gebührenordnung und nur bei Arbeitgeberkündigung, nicht bei Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung.
3. Anwälte vergleichen!
Mitglieder genießen kostenlosen Rechtsschutz bei der Gewerkschaft. Branchenkenntnis darf von den dort empfohlenen Anwälten erwartet werden. Erste Anlaufadressen finden Sie unter www.djv.de und www.verdi.de (siehe auch Click & Find, S. 44 / 45). Ansonsten scheint es bei der Qualität der Rechtssekretäre erhebliche Unterschiede zu geben. "Von miserabel bis hochwertig", so jedenfalls urteilen Anwälte, die sie aus Prozessen als Gegner kennen, allerdings behaupten auch sie nicht, dass freie Anwälte generell besser seien. Im Übrigen lassen die Gewerkschaften viele - vor allem auch kompliziertere Fälle - von Anwälten bearbeiten, mit denen sie kooperieren.
"Nie sofort unterschreiben, sondern erst mal nur zuhören und Stellungnahme ankündigen."
Arbeitsrechtler Arno Frings
Entlassungen? - Es geht auch anders
COMPUTERWOCHE
Freitag, 26. April 2002
Auch Silke Ruttkamp, Rechtsanwältin in der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Ulrich Weber und Partner, Köln, kann die Bitkom-Kritik nicht nachvollziehen.
Der Mitarbeiter ist das höchste Gut: ein Satz, der inzwischen nur noch für die Firmenbroschüre taugt. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehen Unternehmen in Entlassungen oft die einzige Möglichkeit, um die Kosten zu senken. Doch es gibt auch andere Wege, um gemeinsam mit den Mitarbeitern die Krise zu meistern.
"Eine Entkrustung des Arbeitsrechts" forderte Bitkom-Präsident Volker Jung zur CeBIT plakativ. "Die deutsche Kommunikationstechnik macht erstmals die Erfahrung, dass der Markt sich zyklisch entwickelt. Allerdings fehlt ihr die Flexibilität, um darauf zu reagieren. Betriebsbedingte Kündigungen sind schwierig, Personalabbau teuer", ergänzt Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Herstellerverbands. Für ihn steht das starre Arbeitsrecht dem bescheidenen Aufschwung im Weg, da es Firmen daran hindere, neue Jobs zu schaffen, zumal man die Mitarbeiter im Falle einer Flaute nur schlecht wieder los bekäme.
Kündigungsschutz ade? Unter einer "Flexibilisierung des Arbeitsrechts" stellt sich Rohleder individuellere Verträge vor, bei denen die Angestellten in Hochphasen täglich auch mehr als zehn Stunden arbeiten könnten. Kürzere Kündigungsfristen von zwei Wochen zum Monatsende oder vier Wochen würden den Unternehmen mehr Spielraum geben. Außerdem sollten Entlassungen nicht mehr an einen Sozialplan gebunden sein, denn Firmen wollten auf keinen Fall ihre gut qualifizierten Mitarbeiter verlieren.
"Wir sind strikt gegen jede Aufweichung des Arbeitsrechts, die absolut nicht notwendig ist", entgegnet Dieter Scheitor, Teamleiter für die IT-Industrie beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt am Main. "Wir werfen unser politisches Gewicht in die Waagschale. Unsere Mitglieder sind gut mobilisierbar, wenn es um den Kündigungsschutz geht. Selbst Leute, die sonst Distanz zur IG Metall haben, erwarten hier unsere Unterstützung." Laut Scheitor darf man nicht vergessen, dass in wirtschaftlichen Hochphasen das deutsche Arbeitsrecht den Unternehmen hilft, Mitarbeiter zu halten.
Rohleders Kritik an Sozialplänen kann der IG-Metall-Mann ebenfalls nicht teilen: "Bei guten Sozialplänen bleiben die Leistungsträger." Dazu gehöre eine ausgewogene Mixtur zwischen Altersteilzeit, attraktiven Abfindungsangeboten und Schutz für Mitarbeiter. Zudem hätten Firmen durchaus Möglichkeiten, flexibler zu reagieren, die Frage sei nur: "Wie teuer wird es?" Die Beschäftigten müssen sich allerdings frei entscheiden dürfen, ob sie beispielsweise eine Abfindung annehmen. "Sonst ist das Betriebsklima auf Jahre hinaus verdorben", warnt Scheitor.
"Die Forderungen des Bitkom sind weder neu noch originell", kommentiert Werner Dostal von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. "Es ist fraglich, ob die IT-Branche immer noch etwas Besonderes ist", gibt der Arbeitswissenschaftler zu bedenken. Dem Vorschlag langer Arbeitszeiten kann er wenig abgewinnen. "Die junge Generation sieht das anders. Lange Arbeitszeiten widersprechen deren Lebensplan. Zehn Stunden am Tag geben nur Sinn, wenn es sich um mechanische Arbeiten an einer Maschine handelt. Bei anspruchsvoller Arbeit geht das nicht." Solche Zwänge ständen auch im Widerspruch zu einem selbständigen, zielorientierten Arbeiten.
Auch Silke Ruttkamp, Rechtsanwältin in der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Ulrich Weber und Partner, Köln, kann die Bitkom-Kritik nicht nachvollziehen: "Das deutsche Arbeitsrecht setzt keine zu starren Grenzen. Viele Arbeitgeber wissen einfach nur nicht die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Mit ein wenig Kreativität kann dem Bedürfnis nach größtmöglicher Flexibilität durchaus Rechnung getragen werden, etwa durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit der Vereinbarung, dass dieser auch ordentlich gekündigt werden kann, oder durch Rückgriff auf Leiharbeitnehmer." Täglich stellen Ruttkamp und ihre Kollegen fest, dass Arbeitgeber einstellen, ohne vorher über ihre betrieblichen Bedürfnisse nachzudenken. "Im Nachhinein, wenn sich der Arbeitgeber dann von dem Mitarbeiter trennen will, können die begangenen Fehler nur noch schwer korrigiert werden, wenn der Arbeitnehmer einmal Kündigungsschutz erlangt hat, was in Betrieben mit regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmern bereits nach sechs Monaten der Fall ist."
Mitarbeiterbindung ist kein Thema mehr. Viele Unternehmen, die noch vor zwei Jahren über den Fachkräftemangel lamentierten, setzen heute alles daran, ihre Mitarbeiter wieder loszuwerden. Thomas Aurnhammer, Deutschland-Chef der Personalberatung MRI Worldwide, hat den Eindruck, dass die Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern in ökonomisch kritischen Zeiten gestoppt werde. Die Beschäftigten würden vielfach über die Zukunft des Unternehmens im Unklaren gelassen und ihre Ängste mitunter absichtlich geschürt, um sie gefügig zu machen. Manche Firmen gingen sogar so weit, Prämien oder das Weihnachtsgeld zu streichen, ohne vorher mit den Betroffenen zu sprechen.
Mitarbeiterbindung und -motivation sind offenbar kein Thema mehr. "Der Mitarbeiter war einmal das höchste Gut - zumindest in der Firmenbroschüre. Heute gehen die meisten Firmen davon aus, dass jeder froh darüber ist, seinen Arbeitsplatz zu behalten, und keine Bindungsmaßnahmen notwendig sind", so Aurnhammer. Eine Haltung, die dazu führen kann, dass die besten Kräfte gehen: "Die Firmen sollten weder am Personal noch an der Motivation der Mitarbeiter sparen, denn jeder Flaute folgt ein Aufschwung, für den man rechtzeitig die besten Talente braucht."
Solidarischer Gehaltsverzicht. Diesen Rat benötigt die Wacker Chemie nicht mehr, sie hat ihn schon im vergangenen Jahr beherzigt. Der international tätige Konzern beschäftigt immer noch 18000 Mitarbeiter, obwohl sein wichtiger Geschäftsbereich Halbleiter unter der massiv einbrechenden Nachfrage litt. Doch während Konkurrenten wie Infineon 5000 Mitarbeiter entließen, begegnete Wacker dem zyklischen Abschwung mit einer nachhaltigen Unternehmenspolitik und behielt Mitarbeiter und ihr Wissen im Unternehmen. Sachkostenbudgets wurden reduziert, erfolgsabhängige Bonuszahlungen gestrichen, Kurzarbeit bei Wacker Sintronic in Burghausen eingeführt, und alle Beschäftigten verzichteten auf 5,14 Prozent ihres Jahresgehalts, was bei tariflich bezahlten Mitarbeitern etwa 70 Prozent ihres 13. Monatsgehalts entsprach. Das Ergebnis: Einsparungen von 100 Millionen Euro ohne Personalabbau.
"Der Chemie-Tarifvertrag sieht vor, dass in bestimmten wirtschaftlichen Situationen die Gehälter bis zu zehn Prozent gekürzt werden können", erklärt Unternehmenssprecher Hans-Joachim Klinger, warum Betriebsrat und Gewerkschaft dem Gehaltsverzicht zustimmten. Gleichzeitig hielt sich die Unternehmensleitung auch an die nicht schriftlich dokumentierte Übereinkunft mit dem Betriebsrat, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Mittlerweile verspürt die Chipindustrie wieder Aufwind, und Wacker Chemie fühlt sich im Glauben an den Aufschwung bestätigt. Dazu Klinger: "Das Gehaltsverzichtsmodell hätte nicht funktioniert, wenn die Konjunkturschwäche nicht überschaubar gewesen wäre. Denn solche Kürzungen, die jedem wehtun, müssen eine einmalige, zeitlich begrenzte Maßnahme sein." In guten Zeiten will der Konzern den Mitarbeitern das Geld, auf das sie verzichtet haben, zurückzahlen.
Für ein ausgeglichenes Geben und Nehmen zwischen Arbeitgeber und -nehmer plädiert auch Rechtsanwältin Ruttkamp: "Arbeitnehmer, die sich zu einer temporären Gehaltsreduzierung bereit erklären, sollten darauf achten, dass der Arbeitgeber im Gegenzug für einen gewissen Zeitraum auf betriebsbedingte Kündigung verzichtet. Andernfalls kann es passieren, dass sie trotzdem ihren Arbeitsplatz verlieren." Ruttkamp rät auch dazu, eine Sonderzahlung als Kompensation für den Gehaltsverzicht mit dem Arbeitgeber für den Fall zu vereinbaren, dass sich die wirtschaftliche Lage unvorhergesehen verbessern sollte. In der Praxis seien solche Vereinbarungen jedoch selten, denn: "Ganz häufig verzichten Arbeitnehmer darauf, weil sie sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht in der entsprechenden Verhandlungsposition fühlen oder aber vielmals aufgrund bloßer Unkenntnis."
Volltext unter www.computerwoche.de
Diebe bei der Arbeit
Financial Times Deutschland
Dienstag, 5. März 2002
von Ulrich Weber
In vielen Betrieben ist es üblich, dass Arbeitnehmer während der Dienstzeit mit dem Firmencomputer im Internet surfen, private Telefongespräche führen und Kochrezepte sowie andere private Unterlagen kopieren. Was sie dabei offenbar nicht bedenken: Eine solche Nutzung ist ein Kündigungsgrund.
Das Gleiche gilt für Mitarbeiter, die wie selbstverständlich Arbeitsmaterialien mit nach Hause nehmen. Egal, ob es sich dabei um Kugelschreiber, Schraubenschlüssel oder Bohrmaschinen handelt ? ein Unrechtsbewusstsein existiert bei den meisten nicht, zumal dann, wenn es sich um Gegenstände von geringem Wert handelt.
Von dieser Praxis sind häufig auch Manager betroffen, die sowohl die Arbeitskraft ihrer Sekretärin als auch deren Computer für die umfangreiche private Wohnungsverwaltung nutzen. Auch wer den gesamten Schriftverkehr seines Lions-Club über die Firmensekretärin abwickelt, fühlt sich häufig nicht im Unrecht.
Alle diese Arbeitnehmer wären gut beraten, wenn sie sich die seit Jahrzehnten bestehende, aber immer wieder erneuerte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor Augen führten. Die geht davon aus, dass Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Gleiches gilt auch für den Diebstahl oder die Unterschlagung von Gegenständen mit nur geringem Wert. Ein jeder Arbeitnehmer hat die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Loyalität. Folglich muss er auch auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen ? was gleichzeitig bedeutet, dass er den Arbeitgeber nicht vorsätzlich durch eine Straftat schädigen darf.
Wer auf Kosten des Arbeitgebers privat telefoniert muss wegen des Vertrauensverlustes mit einer Kündigung rechnen
Der Arbeitnehmer zerstört durch die Eigentumsverletzung in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers, unabhängig von der Schadenshöhe. Dieser Vertrauensverlust ist regelmäßig der Grund für eine fristlose, außerordentliche Kündigung.
Schon in der Vergangenheit hat das BAG den Diebstahl eines Stückes Bienenstich, die Entwendung dreier Kiwifrüchte, den Diebstahl von Dieselkraftstoff, den Verdacht auf Entwendung eines Lippenstifts, den Diebstahl zweier Päckchen Tabak und die Mitnahme eines Liters Sahne im Wert von 4,80 DM jeweils als Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses angesehen. Diese Praxis wurde jetzt bestätigt, als das BAG den Verdacht auf Diebstahl zweier Kaffeebecher im Wert von je 3,28 DM und zweier Packungen Schinken für 2,69 DM als Basis für eine fristlose Kündigung anerkannte.
Der Senat ist der Auffassung, das in diesem Fall schon der dringende Verdacht des Diebstahls ausreichend ist, um zu einem irreparablen Vertrauensverlust beim Arbeitgeber zu führen. Das macht ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar.
Die Konsequenz aus dieser Rechtsprechung sollte für jeden Arbeitnehmer sein, nur mit ausdrücklicher Genehmigung Vermögensgegenstände des Arbeitgebers an sich zu nehmen ? selbst dann, wenn es sich nur um geringwertige Sachen handelt. Gleiches gilt für jene, die privat im Internet surfen oder Telefonate ohne dienstlichen Anlass führen. Laut Bundesarbeitsgericht ist es dabei unerheblich, ob die Kommunikation während der Arbeitszeit oder in einer Pause stattfindet.
Die "Kasachstan Lady" möchte noch mehr Geld sehen
Der Tagespiegel, 25.02.2002
Tanja Szewczenko, die ehemalige Eisprinzessin, und Artur Brauner, der Filmproduzent, streiten vor Gericht.
Von Fatina Keilani
Bei den Dreharbeiten in Weißrussland war es kalt, und frostig ist auch das Nachspiel in Berlin: Die ehemalige Eiskunstläuferin Tanja Szewczenko verklagte den Berliner Filmproduzenten Artur Brauner auf Zahlung von 13.300 Mark Gage für ihre erste Filmrolle ? und gewann in erster Instanz. Geklagt hatte sie im September 2000, Recht bekam sie im Mai 2001. Brauner ging in Berufung. Am Freitag trifft man sich mitsamt der Anwälte um 11 Uhr 30 vor dem Kammergericht, die Verhandlung ist öffentlich.
Wir erinnern uns noch an den märchenhaften Aufstieg und jähen Fall der Tanja S.: Sie war eine junge, hübsche Eisprinzessin. Mehrmals wurde sie Deutsche Meisterin im Eiskunstlauf, errang aber nie höhere Titel als diesen, denn im entscheidenden Moment wurde sie immer krank. Danach muss sich Tanja Szewczenko, heute 24, für einen Laufbahnwechsel entschieden haben. Nachdem sie für Werbefotos und Modeaufnahmen posiert hatte, wuchs in ihr der Wunsch, Schauspielerin zu werden.
Der omnipräsente Berliner Filmmogul Artur Brauner war offenbar sogleich zur Stelle. In dem von ihm produzierten Melodram unter dem Arbeitstitel "Kasachstan Lady"; bekam Tanja Szewczenko schließlich die Hauptrolle. Sie spielte, was sonst, eine berühmte Eiskunstläuferin, die einem leukämiekranken und todgeweihten Waisenkind einen Herzenswunsch erfüllt. In den Cousin des Waisenmädchens verliebt sie sich. Übrigens tat sich Frau Szewczenko auch im wirklichen Leben mit ihrem Darstellerkollegen Daniel Fehlow zusammen, aber das sei nur am Rande verraten, denn hier geht es ja um Geld, nicht um Liebe.
Gedreht wurde von September 1998 bis April 1999 in Potsdam-Babelsberg und in Minsk. Ins Kino schaffte es der Film zwar nicht, aber die ARD strahlte ihn am vergangenen Weihnachtsfest im Fernsehen aus ? unter einem anderen Titel: "Weihnachten für einen Engel";.
Pro Drehtag sollte Tanja Szewczenko, im Vertrag als "Nachwuchsschauspielerin"; bezeichnet, 3.500 Mark netto als Gage erhalten. Es wurden aber mehr Drehtage als gedacht, weil die Crew schon an der Grenze Visa-Probleme bekam und auch das Filmen nicht so zügig ging wie gehofft. So jedenfalls die Darstellung von Szewczenkos Anwalt Martin Pröpper aus der Kanzlei Ulrich Weber und Partner. Brauner habe einige Drehtage einfach nicht bezahlt. Brauners Anwalt wollte sich dazu nicht äußern. Nach Pröppers Darstellung hat Brauner geltend gemacht, man habe sich in Weißrussland mündlich anders geeinigt, als im Vertrag stehe.
Dort seien seiner Mandantin 7.000 Mark in bar in die Hand gedrückt worden ? offenbar in der Annahme, damit seien alle weiteren Gagenschulden abgegolten. Dabei sei die Unterkunft in Weißrussland wirklich nicht zur Zufriedenheit der Darsteller gewesen, so Anwalt Pröpper. "Warum sollte man denn im Preis runtergehen, wenn die Bedingungen schlechter sind als erwartet?";, fragt Pröpper und gibt zu bedenken: "Und außerdem hätte man sich die 7.000 Mark doch in so einem Fall quittieren lassen, oder?";
Auf dem Prüfstand
Financial Times Deutschland
Dienstag, 5. Februar 2002
von Ulrich Weber
Mit dem neuen Schuldrecht ist das Herzstück des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) komplett neu gefasst worden. Dies wirkt sich unmittelbar auch auf das geltende Arbeitsrecht aus. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nunmehr Bestandteil des BGB. Es findet nun ausdrücklich auch auf das Arbeitsrecht Anwendung.
Dem liegt eine veränderte Sichtweise des Gesetzgebers zu Grunde. Danach sind die Arbeitnehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen besonders zu schützen. Zukünftig ist also auch bei der Gestaltung von arbeitsrechtlichen Verträgen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beachten. Damit unterliegen sämtliche Vertragswerke der gesetzlichen Inhaltskontrolle. Nicht auf dem Prüfstand stehen Klauseln in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. Die Neuregelung gilt zunächst nur für Vereinbarungen, die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossen werden. Bei Altverträgen kann sich der Arbeitnehmer vom 1. Januar 2003 an auf das neue Recht berufen.
Es sind jetzt unter anderem folgende Regelungen im Arbeitsrecht zu beachten:
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Bestimmungen unwirksam, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Dies gilt nach dem so genannten Transparenzgebot nicht nur für unklare und unverständliche Vertragsklauseln. Angreifbar werden auch Vergütungsregelungen, die erheblich unter dem marktüblichen Standard liegen.
Behält sich der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Änderung der versprochenen Leistung vor, so kann dies für den Vertragspartner unzumutbar
Die Arbeitnehmer sind vor unangemessenen Vertragsbedingungen besonders zu schützen.
und damit unwirksam sein (§ 308 Nr. 4 BGB). Damit soll der Widerruf von Zulagen oder sonstigen freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers offenkundig erschwert werden.
In Allgemeinen Geschäftbedingungen ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe unwirksam (§ 309 Nr. 6 BGB). Zukünftig kann damit im Formulararbeitsvertrag keine Vertragsstrafe für den Fall durchgesetzt werden, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle nicht antritt oder seinen Arbeitsvertrag unberechtigt fristlos kündigt.
Eine Bestimmung, die Anzeigen oder Erklärungen an eine strengere Form als die Schriftform bindet, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls verboten (§ 309 Nr. 13 BGB). Dadurch hat etwa eine Vereinbarung, nach der eine Kündigung nur per Einschreiben gültig sein soll, keinen Bestand mehr.
Der Gesetzgeber fordert die Arbeitsgerichte indessen ausdrücklich auf, die "im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen". Damit behält die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur so genannten "Billigkeitskontrolle" ihre praktische Bedeutung. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits vor der Neuregelung an das AGB-Gesetz und dessen grundlegende Rechtsgedanken angelehnt.
Ein Vertragswerk, das praktisch vom Arbeitgeber allein festgesetzt wurde, musste sich auch bislang eine Korrektur nach Billigkeitsgesichtspunkten gefallen lassen. Deshalb sind grundlegende Änderungen der Rechtslage bei vorformulierten Arbeitsvertragsbedingungen kaum zu erwarten.
Was Firmenlenker jetzt dürfen und was nicht
Impulse 02/2002
Freitag, 1. Februar 2002
von Christian Plöger und Carsten Prudent
"Rechte offensiver durchsetzen!" Das deutsche Arbeitsrecht lässt Chefs mehr Spielraum, als viele ahnen ? sagt der Kölner Rechtsanwalt Ulrich Weber.
impulse: Herr Weber, viele Unternehmer fühlen sich durch Tarifverträge und Kündigungsschutz regelrecht geknebelt. Können Sie das nachvollziehen?
Weber: Ja. Und dass Chefs mehr einstellen, wenn sie im Gegenzug leichter entlassen könnten, liegt einfach auf der Hand. Vor allem für Frauen und Behinderte erweist sich das aktuelle Recht als regelrechte Einstellungsbremse.
impulse:Nur: Es nutzt wenig, lautstark nach Reformen zu rufen, die politisch nicht durchsetzbar sind. Was raten Sie mittelständischen Mandanten? Still leiden und auf bessere Zeiten hoffen?
Weber: Keineswegs. Ich sage ihnen: Ihr müsst den Spielraum, den ihr heute habt, offensiver nutzen. In der Praxis geht viel mehr, als die meisten glauben. Das gilt etwa für Entlassungen im Zuge notwendiger Rationalisierung. Aber auch für die Anpassung von Aufgabenbereich, Arbeitszeit und Lohn im Rahmen bestehender Arbeitsverhältnisse.
impulse:Allein der Gedanke an Lohnkürzungen, Kündigungsprozesse oder Sozialpläne lässt Firmenchefs schaudern.
Weber: Auch das kann ich gut verstehen. Dieses Problem können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nur lösen, indem sie externe Beratung in Anspruch nehmen ...
impulse: ...und so die Kassen der Anwälte klingeln lassen.
Weber: Das Honorar für einen kompetenten Arbeitsrechtler ist in aller Regel gut angelegt. Es gibt jede Menge typischer betrieblicher Konfliktsituationen, für die das Bundesarbeitsgericht klare, oft auch arbeitgeberfreundliche Kriterien formuliert hat. Um von solchen Urteilen zu profitieren, muss man deren Inhalte allerdings detailliert kennen und berücksichtigen. Und zwar nicht erst in Kündigungsschutzprozessen ? sondern bereits bei der Formulierung der Arbeitsverträge.
Top-Infos vom Profi
Auch in schwierigen Zeiten das Beste rausholen ? hier helfen impulse und die Rechtsanwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner mit Exklusiv-Seminaren: Ihr Recht als Chef ? und wie Sie es kreativ durchsetzen.
Sie wollen nie (wieder) erleben, dass sich ein Neuzugang nach der Probezeit als Fehlgriff entpuppt ? und Ihnen dennoch die Hände gebunden sind? Die Arbeit reicht nicht mehr für alle? Mitarbeiter sperren sich gegen neue Aufgaben oder kundenfreundlichere Arbeitszeiten? Dauerkranke und Faulpelze belasten das Betriebsklima? Wie sich solche Konflikte lösen lassen, erfahren Sie exklusiv auf zwei Tagesseminaren für Firmenchefs und Personalleiter. Garant für hochkarätige Praktiker- Tipps auf Basis neuester Gesetze und BAG-Urteile ist Prominentenanwalt Ulrich Weber.
Mit Büros in Köln, Frankfurt, Berlin und München zählt er bundesweit zu den Top-Adressen in Sachen Arbeitsrecht. Seine These: Wer seine Rechte kennt und geschickt taktiert, hat selbst in scheinbar aussichtslosen Konstellationen erstaunlich gute Karten.
Geplante Termine: 14. März 2002 in Frankfurt/Main sowie 21. März 2002 in Köln (jeweils 9 bis 17 Uhr, Queens-Hotel).
Teilnahmegebühr: 550 Euro. Sonderpreis für impulse-Abonnenten: 500 Euro (jeweils zzgl. Umsatzsteuer, inkl. Tagungsunterlagen und Mittagessen). Steuerlich absetzbar!
Weitere Infos und Anmeldung: PfA GmbH, Dürener Straße 341, 50935 Köln, Tel. 0221-466719, Fax 0221-466750, E-Mail: seminare@pfa-arbeitsrecht.de.
EuGH bestätigt Mindestlohn im Baugewerbe
Financial Times Deutschland
Dienstag, 29. Januar 2002
von Ulrich Weber
Bauunternehmen aus dem EU-Ausland, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, müssen sich an den in Deutschland geltenden tariflichen Mindestlohn halten. So regelt es das Arbeitnehmerentsendegesetz. Damit begrenzt der deutsche Gesetzgeber die grenzüberschreitende Lohnkonkurrenz. Artikel 49 und 50 des EG-Vertrages sehen hingegen den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft vor.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt den Mindestlohn auf deutschen Baustellen bestätigt und die Regelung des Arbeitnehmerentsendegesetzes als eine zulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt erachtet. Er begründet seine Entscheidung damit, dass die Regelung über den Mindestlohn ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel ? den Schutz der Arbeitnehmer ? verfolge. Gleichwohl betont er, dass Ziele wirtschaftlicher Art, wie der Schutz inländischer Unternehmen, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen können. Geprüft werden müssen vielmehr, ob die Regelung den Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleistet. Dabei kommt es darauf an, dass die Vorschriften diesen einen "tatsächlichen Vorteils" verschafften. Anzumerken ist aber, dass der EuGH in diesem Urteil das Arbeitnehmerentsendegesetz an einem anderen Punkt beanstandet hat. Danach sei es eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wenn ein inländischer Arbeitgeber den in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgesetzten Mindestlohn durch eine Firmentarifvertrag unterschreiten kann, dies aber einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedsstaat nicht möglich sei. Das Problem ist jedoch unerheblich, da es in Deutschland keine derartigen Firmentarifverträge gibt. Auch ist offen, ob nicht auch ausländische Unternehmen in Deutschland Firmentarifverträge abschließen können.
Wo bleibt Europa?
Financial Times Deutschland
Dienstag, 8. Januar 2002
Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Betriegbsverfassungsgesetzes Leiharbeitnehmer bessergestellt
von Ulrich Weber
In den vergangenen Monaten wurden wesentliche Bedingungen der Leiharbeit neu definiert. Dazu tragen nicht nur die Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) selbst bei. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat durch eine jüngst veröffentlichte Entscheidung neue Akzente gesetzt.
Zunächst soll mit Inkrafttreten des sog. Job-AQTIV-Gesetzes am 01. Januar dieses Jahres die Arbeitsnehmerüberlassung erleichtert werden. Ziel der Regelung ist es, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb ist die maximale Überlassungsdauer eines Leiharbeitnehmers an einen Entleiher von bisher zwölf auf nunmehr 24 Monate verlängert worden. Dadurch können Unternehmen Leiharbeitnehmer auch in länger dauernden Projekten beschäftigen. Dies geschieht nicht auf Kosten der Leiharbeitnehmer: Dauert die Überlassung länger als zwölf Monate, hat der Verleiher sie künftig spätestens vom 13. Monat an genauso zu behandeln wie alle anderen seiner Mitarbeiter auch.
Zuvor hatte der Gesetzgeber bereits im Zuge der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes eine Besserstellung von Leiharbeitnehmern vorgenommen. Seitdem können Leiharbeitnehmer an zwei Betriebsratswahlen teilnehmen: Als Angehörige des Verleiherbetriebes steht ihnen dort das aktive und passive Wahlrecht zu. Zusätzlich sind sie bei Betriebsratswahlen jetzt auch im Entleiherbetrieb wahlberechtigt. Das setzt voraus, dass sie dort für länger als drei Monate so eingesetzt werden, dass sie dem Weisungsrecht des Inhabers unterliegen. Dann dürfen sie vom ersten Tag ihres Einsatzes mit wählen. Wie lange sie nach der Wahl noch im Betrieb verbleiben, ist irrelevant. Wählbar bleiben sie allerdings nur im Verleiherbetrieb. Die nächsten Betriebsratswahlen dürften zeigen, dass bereits das neue aktive Wahlrecht der Leiharbeitnehmer ausreicht, die Wählerlandschaft in einigen Betrieben durcheinander zu wirbeln.
Für Aufsehen sorgte auch die Entscheidung des EuGH vom 25. Oktober 2001 (Rs. C-493/99). Danach verstoßen Sonderregelungen des AÜG für das Baugewerbe bei grenzüberschreitender Leiharbeit gegen Europarecht. Bisher konnten Bauunternehmen Ausnahmevorschriften dieses Gesetzes nur unter der Voraussetzung für sich in Anspruch nehmen, dass sie mindestens eine Niederlassung in Deutschland unterhielten. Diese europarechtswidrige Beschränkung wirkt durch die Hintertür: Bislang setzt nach dem AÜG gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung eine Erlaubnis voraus. Davon wird nur unter bestimmten Umständen eine Ausnahme gemacht. Diese gilt zum einen für die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer Arbeitsgemeinschaft, zum anderen speziell für Arbeitnehmer in Betrieben des Baugewerbes. In beiden Fällen entfällt die Erlaubnispflichtigkeit, wenn die Arbeitgeber als "Quasi-Entleiher" jeweils denselben tarifvertraglichen Bindungen unterliegen. Dafür brauchen sie jedoch bisher, egal ob sie aus Deutschland oder aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat stammen, mindestens eine deutsche Niederlassung. Es bleibt nun abzuwarten, was der deutsche Gesetzgeber sich zur Behebung dieses europarechtswidrigen Zustands einfallen lässt.