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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn für Pflichtpraktikum?

Besteht ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn für Pflichtpraktikum vor Aufnahme eines Studiums?

Die Ableistung eines Praktikums ist oft Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums. Dieses soll insbesondere dazu dienen, bereits im Vorfeld einen Einblick in das mögliche spätere Berufsleben zu gewinnen und dabei zu erkennen, ob der ausgewählte Studiengang wirklich zu einem passt.

Da Praktikantinnen und Praktikanten nach dem § 22 Abs. 1 S. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) durchaus als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten, wenn sie tatsächliche Arbeitsleistungen erbringen, stellt sich die Frage, ob ihnen bei Ableistung eines solches Pflichtpraktikums vor Aufnahme eines Studiums ein Mindestlohn zusteht.

Mit der Frage hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu beschäftigen. In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung kam es zu dem Ergebnis, dass Praktikantinnen und Praktikanten keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben, wenn sie ein Vorpraktikum absolvieren, das Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums an einer privaten Hochschule ist, die staatlich anerkannt ist (BAG, Urteil vom 19.01.2022 – 5 AZR 217/21).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall verlangte eine Praktikantin von dem Krankenhaus, in welchem sie in der Zeit vom 20. Mai bis zum 29. November 2019 ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation absolviert hatte, nachträglich den Mindestlohn für täglich 7,45 Stunden Arbeit. Das Praktikum hatte sie abgeleistet, da sie beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben und nach der Studienordnung u.a. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung ist.

Die Praktikantin hatte jedoch in allen Instanzen keinen Erfolg.

Das BAG führte aus, dass das Krankenhaus nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG verpflichtet sei, da die Praktikantin nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes unterfalle. Denn Praktikantinnen und Praktikanten gelten nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG dann nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der Konsequenz, dass das Mindestlohngesetz für sie nicht gilt, wenn sie Pflichtpraktika absolvieren müssen. Nach dem BAG erfasse der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben seien. Dem stehe nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität sei staatlich anerkannt. Hierdurch sei die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen werde.

Für Praktikantinnen und Praktikanten, die ein solches Vorpraktikum ableisten müssen, ist diese Entscheidung zwar ärgerlich, im Ergebnis ist sie aber richtig. Dem BAG ist darin zuzustimmen, dass es sich nach der gesetzgeberischen Intention bei einem vorgeschriebenen Vorpraktikum um ein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG handelt, welches gerade keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn begründet.

Sanela Pohlmann, Rechtsanwältin

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