Vertane Chance
Manager Magazin
Donnerstag, 1. Januar 2004
von RA Peter Rölz
Mit der Agenda 2010 soll es den Unternehmen leichter gemacht werden, neue Mitarbeiter einzustellen. Doch dem Entwurf mangelt es an Reformkraft.
Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist katastrophal. Die Bundesregierung will mit der Agenda 2010 die Bereitschaft der Firmen erhöhen, wieder vermehrt Mitarbeiter einzustellen. Doch was taugen die Vorschläge aus arbeitsrechtlicher Sicht wirklich?
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass eine betriebsbedingte Kündigung nur noch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter, eine Schwerbehinderung und die Unterhaltspflichten nicht ausreichend berücksichtigt hat. Sicherlich schafft diese Begrenzung mehr Rechtssicherheit. Wirklich neu ist dieser Vorstoß nicht; die Kriterien waren schon bisher maßgeblich für eine ordnungsgemäße Sozialauswahl.
Zudem ist die Herausnahme eines Arbeitnehmers in der Praxis gar nicht so leicht. Nach herrschender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber nach wie vor das Interesse des sozial Schwächeren gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abzuwägen. Damit schränkt das Gericht die Flexibilität für den Arbeitgeber wieder ein. Die Regierung sollte darüber nachdenken, die Prüffunktion der Gerichte darauf zu beschränken, grobe Fehler zu verhindern. Sonst erfüllt die Maßnahme nicht den gewünschten Zweck.
Wieder eingeführt werden soll mit der Agenda 2010 die Möglichkeit, bei größerem Personalabbau im Rahmen eines Interessenausgleichs eine Namensliste mit dem Betriebsrat zu vereinbaren, auf der steht, wem gekündigt werden soll. Bei einer solchen Liste wird dann vermutet, dass die Kündigung aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse erfolgte. Arbeitnehmer, die auf einer solchen Liste stehen, haben bei einem Kündigungsschutzprozess geringe Chancen. Das Risiko der Arbeitgeber wird beträchtlich reduziert.
Noch mehr als bisher müssen Arbeitnehmer künftig aufpassen, wenn sie gegen eine Kündigung rechtlich vorgehen. Grundsätzlich muss innerhalb von drei Wochen Klage erhoben werden. Bislang gilt diese Klagefrist nur, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung für sozial ungerechtfertigt hält. Andere Unwirksamkeitsgründe, wie etwa die fehlerhafte Betriebsratsanhörung oder die fehlende Schriftform der Kündigung, können auch noch außerhalb dieser Frist geltend gemacht werden. Fortan weiß der Arbeitgeber nach Ablauf von drei Wochen, dass er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen kann.
Neu an Schröders Agenda 2010 ist zudem der Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung. In einem solchen Fall soll dem Arbeitnehmer ein Abfindungsanspruch zustehen, wenn er bis zum Ablauf einer Drei-Wochen-Frist nicht gegen die Kündigung klagt. Auf diese Option soll ihn der Arbeitgeber hinweisen. Die Möglichkeit, um den Erhalt des Arbeitsplatzes zu streiten, bleibt gleichwohl bestehen - ebenso das Prozessrisiko für die Arbeitgeber. Aus arbeitsrechtlicher Sicht haben die geplanten Änderungen also keine gravierenden Folgen. Vor allem wurde die Chance vergeben, den beschäftigungshemmenden Tarifvorbehalt durch die Möglichkeit betrieblicher Bündnisse für Arbeit zu ersetzen.
"Die Regierung sollte die Prüffunktion der Gerichte beschränken."
Peter Rölz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und geschäftsführender Partner im Frankfurter Büro der Sozietät Ulrich Weber & Partner.