Aus Gewohnheit gut
Berliner Morgenpost
06.02.2005
Sonntag, 6. Februar 2005
von RA Heiko Peter Krenz
von Heiko Peter Krenz
Die "betriebliche Übung" - oder: Was Chefs nicht streichen dürfen
In der letzten Zeit streichen Unternehmen ihren Mitarbeitern immer häufiger Vergünstigungen und verweisen dabei auf die schlechte Ertragslage. Oft handelt es sich um arbeitsvertraglich nicht geregelte Zahlungen, die aber bereits seit Jahren als eine Art "Gewohnheitsrecht" erbracht werden. Daher stellt sich - auch wenn die Zulagen im Arbeitsvertrag nicht vereinbart wurden - die Frage, ob die Vergünstigungen überhaupt rechtmäßig gestrichen werden können. Das zu klären, erweist sich in der Praxis allerdings mitunter als schwierig.
Die Juristen bezeichnen die Gewährung von Vergünstigungen ohne vertragliche Grundlage als "betriebliche Übung". Diese liegt vor, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit mehrfach in Folge Vergünstigungen gewährt hat und die Beschäftigten darauf vertrauen konnten, dass die Vergünstigungen auch in der Zukunft gewährt werden. Möglicher Gegenstand einer betrieblichen Übung sind vor allem Gratifikationszahlungen, Urlaubsgeld, Kantinenzuschüsse, Arbeitsbefreiung an Heiligabend und Silvester oder Jubiläumszulagen. Wurde beispielsweise in den letzten Jahren beanstandungslos Weihnachtsgeld gezahlt, gilt dies als betriebliche Übung und kann nicht plötzlich beendet werden. Will sich der Arbeitgeber vorbehalten, die freiwilligen Leistungen später wieder einzustellen, muss er möglichst bei der Gewährung der ersten Vergünstigung darauf hinweisen, dass die Leistungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen. In diesem Fall entsteht keine betriebliche Übung. Auch eine Zahlung "auf Widerruf" oder "unter Vorbehalt" begründet keinen Rechtsanspruch.
Hat der Arbeitgeber die Vergünstigungen dagegen vorbehaltlos gewährt, haben die Mitarbeiter gute Karten. Denn in diesem Fall ist der Chef an die betriebliche Übung gebunden. Es sei denn, die Arbeitnehmer verzichten auf die Vergünstigungen. Zudem kann der Chef eine betriebliche Übung durch eine Änderungskündigung beenden. Da Arbeitgeber Kündigungsschutzverfahren aber fast immer verlieren, ist dieser Weg wenig Erfolg versprechend.
Urteile
Gehälter - Hat ein nichttarifgebundener Arbeitgeber in der Vergangenheit die Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung erhöht, wird dadurch keine betriebliche Übung begründet (BAG, 5 AZR 715/00).
Vergünstigung - Beruhen Vergünstigungen erkennbar auf Vereinbarungen mit dem Betriebsrat, wird keine betriebliche Übung begründet (LAG Köln, 7 TaBV 80/02).
Eingeschränkt gelten betriebliche Übungen im öffentlichen Dienst (LAG Schleswig Holst., 1 Sa 646 b/00).