Aufgabe der Dominotheorie
Blitztip
Mittwoch, 25. Juli 2007
von RA Carsten Kohles
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs fordert die Wirtschaft nach wie vor eine Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Die Lockerung des Kündigungsschutzes wird hierbei immer wieder als probates Mittel angesehen, um Einstellungshemmnisse abzubauen. Unter Zugrundelegung dieser Forderung dürfte der Wirtschaftsstandort seit dem 09.11.2006 etwas attraktiver erscheinen.
Aufgrund von Umsatzrückgängen hatte ein Arbeitgeber 60 von 600 gewerblichen Arbeitnehmern gekündigt. Im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Sozialauswahl (also der Frage, welche 60 der 600 Arbeitnehmer am wenigsten schutzbedürftig und deshalb zu kündigen seien) hatte er ein Punkteschema erstellt und den Mitarbeitern abhängig von ihrem Lebensalter, der Betriebszugehörigkeit, ihren Unterhaltsverpflichtungen und dem Grad ihrer Behinderung Punkte zugeteilt. Das Ergebnis dieser Punktezuteilung hatte er in einer Liste zusammengefasst, wobei der Mitarbeiter mit den wenigsten Punkten den ersten Platz und der Mitarbeiter mit den meisten Punkten den 600 Platz belegte. Die 60 Mitarbeiter, die am wenigsten Punkte aufzuweisen hatten, wurden anschließend betriebsbedingt gekündigt. Bei der Erstellung seiner Liste war dem Arbeitgeber allerdings ein Fehler unterlaufen, da er einem Mitarbeiter versehentlich 20 Punkte zuviel gab. Dieser war hierdurch von Platz 42 der Liste auf Platz 64 gerutscht. Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens hatte einer der gekündigten Mitarbeiter diesen Fehler gerügt und sich darauf berufen, dass er bei korrekter Punkteermittlung mehr Sozialpunkte aufweisen könne und von daher seinem Kollegen und nicht ihm hätte gekündigt werden müssen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hätte dies in der Tat ausgereicht, um die Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam werden zu lassen. Denn wie bei einer umfallenden Dominoreihe konnten sich bislang alle Mitarbeiter, die auf Listenplatz 43 bis 60 standen, darauf berufen, dass es einen Kollegen gäbe, der sozial weniger schutzbedürftig sei. Dem hat das BAG nunmehr einen Riegel vorgeschoben und ausgeführt, dass dies alleine nicht mehr genüge. Zumindest dann, wenn der Arbeitgeber im Prozess darlegen könne, dass der Kläger auch bei einer korrekten Sozialauswahl eine Kündigung erhalten hätte, sei die Kündigung trotz des Fehlers wirksam. Im vorliegenden Fall verwies das BAG darauf, dass lediglich derjenige Arbeitnehmer, der als sechzigster auf der Liste gestanden habe, von dem Fehler profitiert hätte, nicht jedoch der Kläger, der lediglich auf Platz 48 stand. Denn bei einer korrekter Erstellung der Liste wäre der Kläger zwar vom 48. Platz auf den 49. Platz vorgerückt, da jedoch insgesamt 60 Mitarbeitern gekündigt worden sei, hätte er auch ohne den Fehler eine sozial gerechtfertigte Kündigung erhalten (BAG, Akt.: 2 AZR 812/05).
Die Entscheidung hat für Arbeitgeber zukünftig den Vorteil, dass Fehler im Rahmen der Sozialauswahl nicht mehr dazu führen, dass eine Vielzahl von Kündigungen sozial ungerechtfertigt sind, sondern die Folgen zumindest wenn der Arbeitgeber im Prozess entsprechend argumentieren kann auf die Unwirksamkeit einer einzigen Kündigung beschränkt werden können.