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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Bewerbungsunterlagen – Digitales Leserecht für den Betriebsrat ausreichend

Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.12.2023 eine interessante Entscheidung im Zusammenhang mit der Vorlage von Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat getroffen. Es ging im Kern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber seinen Pflichten gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens nachkommen kann.  

Herr Rechtsanwalt Dominik Kranz erläutert die wesentlichen Aspekte dieser aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2023 (Az. 1 ABR 28/22):

Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hat ein Arbeitgeber im Frühjahr 2021 die Stelle „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ ausgeschrieben. Auf die Stelle haben sich 33 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Die eingehenden Bewerbungsunterlagen sind mithilfe eines Softwareprogramms „Recruiting“ digital gespeichert worden. Sind Bewerbungen in Papierform eingegangen, sind sie digitalisiert worden. Das Softwareprogramm verwaltet u.a. Stellenausschreibungen und enthält ein internes und externes Bewerberportal.

Nachdem der Arbeitgeber einen Kandidaten ausgewählt hatte, verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zu der geplanten Einstellung u.a. mit der Begründung, dass ihm die Bewerbungsunterlagen in Papierform hätten vorgelegt werden müssen.

Der Arbeitgeber hat in allen drei Instanzen Recht bekommen. Der Betriebsrat durfte die Zustimmung zu der geplanten Einstellung nicht deshalb verweigern, weil ihm der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen nicht in Papierform vorgelegt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass ein Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführe, seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG genüge, wenn er dessen Mitgliedern ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes  Einsichtsrecht gewähre. Es sei ausreichend, wenn der Betriebsrat mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit digital die Bewerbungsunterlagen einsehen könne und die Möglichkeit habe, selbst Notizen anzufertigen.

Durch das Einsichtsrecht könne der Betriebsrat jederzeit die im Softwareprogramm hinterlegten Anschreiben und Lebensläufe sowie Zeugnisse und Zertifikate einsehen. Der Arbeitgeber müsse dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen nicht in Papierform vorlegen.

Nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgericht lässt sich dem Wortsinn des § 99 BetrVG entnehmen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare Bewerbungsunterlagen auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen müsse. Der Betriebsrat habe durch das Einsichts- und Leserecht die Möglichkeit, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötige, um eine Stellungnahme zu der geplanten Einstellung abgeben zu können. Der jederzeit mögliche Zugriff auf die hinterlegten Bewerberdaten erlaube es ihm, dem Arbeitgeber eigene Vorschläge für eine Auswahl zu unterbreiten oder auf Umstände hinzuweisen, die nach seiner Auffassung für einen anderen Bewerber sprechen.

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats standen diesem Ergebnis auch keine datenschutzrechtlichen Erwägungen entgegen. Das digitale Einsichtsrecht des Betriebsrates beschränke sich hierbei auf diejenigen Unterlagen, die dem Betriebsrat auch physisch hätten überlassen werden müssen. Die darin liegende Datenverarbeitung sei nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erforderlich, da der Arbeitgeber seiner Pflicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat nachkommen müsse. Zumal der Betriebsrat verpflichtet sei, über die ihm bekannt gewordenen Bewerberdaten und persönlichen Verhältnisse Stillschweigen zu bewahren.

Bewertung für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist folgerichtig und ist ein weiterer Schritt dahingehend, den Arbeitsalltag digitaler zu gestalten. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, Bewerbungsunterlagen nur noch digital zu verarbeiten, muss er dem Betriebsrat dementsprechend ein digitales Einsichtsrecht gewähren. Es wäre nicht im Sinne einer digitalen Arbeitswelt, wenn der Arbeitgeber verpflichtet werden würde, die lediglich digital gespeicherten Bewerbungsunterlagen auszudrucken und dem Betriebsrat in Papierform zur Verfügung zu stellen. Dieses Erfordernis ergibt sich auch nicht aus § 99 Abs. 1 BetrVG.