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Zeitarbeit gerät in Aufruhr

 

Blitztip

Mittwoch, 28. Februar 2007

von RA Carsten Kohles

Zeitarbeit liegt derzeit stark im Trend. Denn Unternehmen erhalten hierüber bei anziehender Konjunktur die Möglichkeit, kurzfristig neues Personal einstellen zu können, ohne sich langfristig binden zu müssen. Lässt die Nachfrage nach, wird nämlich einfach der Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma gekündigt, ohne dass ein Kündigungsschutzverfahren droht.

Damit trifft die Zeitarbeitsbranche jedoch das Risiko, ihre Leiharbeitnehmer nicht immer unterbringen zu können. Auch aus diesem Grunde soll der Tarifvertrag Zeitarbeit daher vorsehen, dass für jeden Mitarbeiter Arbeitszeitkonten eingerichtet werden, auf denen am Ende des Monats Plus- oder Minusstunden einzustellen sind. Dass dies eine unzulässige Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf den Arbeitnehmer darstellen könnte, war dabei ein offenes Geheimnis. Obwohl der Tarifvertrag bereits seit dem 01.01.2004 in Kraft ist, gab es bis zum 07.02.2007 kein Urteil, dass sich mit dieser Frage beschäftigte.
Simona T. war froh nach ihrer Arbeitslosigkeit wieder bei einer Zeitarbeitsfirma untergekommen zu sein. Selbst die im Arbeitsvertrag vereinbarte 30-Stunden-Woche nahm sie hierfür gern in Kauf. Als sie am 01. August ihre Arbeit beim Entleiherbetrieb aufnahm, wunderte sie sich zwar zunächst, dort 8 Stunden pro Tag arbeiten zu müssen, von ihrer Personalabteilung wurde ihr jedoch mitgeteilt, dass sie pro Tag 2 Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto erhalten werde. Diese könne sie dann später abfeiern. Nach 12 Arbeitstagen endete der Einsatz beim Kunden, für den Rest des Monats hatte man für Simona T. keine Einsatzmöglichkeit. Als sie am Monatsende den Auszug ihres Arbeitszeitkontos erhielt, traf Simona T. fast der Schlag. Obwohl sie an 12 Tagen 2 Stunden länger gearbeitet hatte, erhielt sie keine 24 Plus- sondern 42 Minusstunden. Der Arbeitgeber argumentierte, Simona T. habe ja schließlich die letzten 11 Arbeitstage zu Hause Urlaub machen können. Diese Zeit müsse sie in den nächsten Monaten wieder einarbeiten.
Simona T. zog vor Gericht und gewann zumindest teilweise. Die Richter wiesen in der Verhandlung darauf hin, dass es dem Risiko des Arbeitgebers zuzurechnen sei, ob er den Leiharbeitnehmer den gesamten Monat einsetzen könne oder nicht. Sei er hierzu nicht in der Lage, so könne er beschäftigungslose Zeiten nicht als Minusstunden ins Arbeitszeitkonto einstellen. Auf der anderen Seite habe Simona T. aber auch keinen Anspruch auf 24 Plusstunden, da sie, betrachtet auf den gesamten Monat, nicht auf die geschuldete Arbeitszeit (23 Arbeitstage a 6 St. = 138 Stunden) gekommen sei. Das Arbeitszeitkonto hätte daher am Ende des Monats weder Plus- noch Minusstunden haben dürfen.

Es steht zu erwarten, dass sich mit diesem salomonischen Urteil weder Simona T., noch ihr Arbeitgeber zufrieden geben werden. Eine erste Weichenstellung ist damit gleichwohl für die Zeitarbeitsbranche erfolgt. Sollte die Auffassung des Gerichts auch in der zweiten Instanz bestätigt werden, könnte sich Zeitarbeit dadurch zwar in Zukunft verteuern, an ihrer Attraktivität wird sie aber dennoch nicht verlieren. Denn bevor ein Entleiher einen verlorenen Kündigungsschutzprozess in Kauf nimmt, wird er lieber etwas mehr für einen Leiharbeitnehmer zahlen.

 
Waldemar Pelke