gradienta-bKESVqfxass-unsplash.jpg

Blog

Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Duschen kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23.04.2024 - 5 AZR 212/23) hat sich mit der rechtlichen Frage befasst, ob Körperreinigungszeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören.

Herr Rechtsanwalt Dominik Kranz erläutert die wesentlichen Aspekte der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.04.2024: 

Der Kläger arbeitet seit dem Jahr 2008 als vollzeitbeschäftigter Containermechaniker bei dem beklagten Arbeitgeber. Zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehören die Reparatur und Wartung von Containern. Zu seinen Aufgaben gehören ebenfalls das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung. Am Ende eines jeden Arbeitstages begibt sich der Kläger in den Umkleideraum und wäscht oder duscht sich und lässt die verunreinigte Arbeitskleidung im Betrieb zur Reinigung. Nach erfolgter Körperreinigung gibt er weisungsgemäß die Uhrzeit des Schichtendes im Zeiterfassungsterminal ein und verlässt den Betrieb.

Der Kläger hat die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 25.554,00 EUR brutto für den Zeitraum Januar 2017 bis April 2022  geltend gemacht. Hierbei hat es sich um zusätzlich zu vergütende Arbeitszeit von arbeitstäglich 55 Minuten für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten gehandelt.

Die erste Instanz hat der Klage nur teilweise stattgegeben und eine vergütungspflichtige Arbeitszeit von arbeitstäglich 20 Minuten angenommen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte ausgehend von arbeitstäglich 21 Minuten vergütungspflichtiger Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten verurteilt, an den Kläger 2.387,00 EUR brutto zu zahlen.

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die innerbetrieblichen Umkleidezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit i.S.v. § 611a Abs. 2 BGB sind. Um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt es sich regelmäßig bei dem An- und Ablegen einer vom Arbeitgeber vorgeschriebenen und nur im Betrieb zu tragenden Dienstkleidung. Das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung. Das Umkleiden ist in diesem Fall ausschließlich fremdnützig. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit.

Des Weiteren hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Wegezeit des Klägers vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück Teil der von der Beklagten geschuldeten vergütungspflichtigen Arbeitszeit ist. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Arbeitskleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Klägers - auch zum Aufsuchen des Umkleideraums - beruhen auf der Anweisung der Beklagten zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Fall nicht die Möglichkeit, die Arbeitskleidung am Arbeitsplatz an- und abzulegen, sondern muss dafür den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen. Der Weg, den der Kläger vom Umkleideraum zu seinem Arbeitsplatz und zurück zurücklegt, ist daher ausschließlich fremdnützig.

Schließlich lässt sich den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts entnehmen, dass auch Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit gemäß § 611a Abs. 2 BGB sein können.

Körperreinigungszeiten können zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann. Das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient hingegen der Befriedigung privater Bedürfnisse; es ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig nach § 611a Abs. 2 BGB.

Bewertung für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist folgerichtig. Die Feststellungen beruhen auf dem bereits bekannten Abgrenzungskriterium der „Fremdnützigkeit“. Es ist sachgerecht und entspricht der im Arbeitsverhältnis bestehenden Interessenlage, Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten unter bestimmten Voraussetzungen als vergütungspflichtige Arbeitszeit im Sinne des § 611a Abs. 2 BGB anzusehen.